Sitzungsperiode 2020-2021
Sitzung des Ausschusses II vom 20. April 2021
Interpellation Nr. 17 von Herrn FRECHES (PFF) an Ministerin WEYKMANS zur
digitalen Zukunft Ostbelgien unter dem Aspekt des Digitalen Kompass der EU
Das Thema dieser Interpellation befasst sich mit dem Digitalen Kompass der EU und seine Auswirkungen auf die Digitale Zukunft OSTBELGIENS.
Um was geht es eigentlich, wenn man vom DIGITALEN Kompass der EU-Kommission redet:
Die europäische Kommission hat eine Zielvorstellung sowie klare Vorgaben und Wege für einen erfolgreichen digitalen Wandel Europas bis 2030 vorgelegt, welche ausschlaggebend für den Übergang zu einer klimaneutralen, kreislauforientierten aber auch für eine stabile Wirtschaft sein wird.
Der digitale Wandel ist demnach neben vielen anderen Faktoren, mitentscheidend für den wirtschaftlichen Aufschwung, den Wohlstand, die Sicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit im 21. Jahrhundert – und somit auch für den wirtschaftlichen Aufschwung unserer Gemeinschaft – von OSTBELGIEN!
Durch gemeinsame Anstrengungen – staatenübergreifend – können Fortschritte bei der Digitalisierung europaweit schneller vorangetrieben werden.
Die EU hat besonders in der analogen Welt gezeigt, dass ihre Regeln und Standards auf der ganzen Welt zur Norm werden können und wenn alle EU-Mitgliedsstaaten an einem Strang ziehen, kann dies auch in der digitalen Welt gelingen.
Europas Ziel lautet eine digitale Welt aufzubauen, die sozial ausgewogen ist, in der dieeuropäischen Werte und Grundrechte gelten und in der sich die Menschen sicher fühlen.
Hierzu sind natürlich eine gemeinsame europäische Digitalpolitik und ein digitaler Binnenmarkt notwendig. Ziel der EU ist es, digital souverän zu sein in einer offenen vernetzten Welt.
Außerdem möchte die EU eine Digitalpolitik betreiben, die Menschen und Unternehmen in ihrer Handlungskompetenz stärkt, damit sie die Chancen einer auf den Menschen ausgerichteten, nachhaltigen und florierenden digitalen Zukunft voll nutzen können.
Dazu gehört auch die Beseitigung von Schwachstellen und Abhängigkeiten sowie die Beschleunigung von Investitionen. Zum Einläuten dieser Digitalen Dekade, schlägt die Kommission vor, eine Reihe von
Digitalgrundsätzen zu vereinbaren, rasch wichtige Mehrländerprojekte auf den Weg zu bringen und einen Legislativvorschlag auszuarbeiten, in dem ein robuster GovernanceRahmen zur Überwachung der Fortschritte festgelegt wird – der sogenannte digitale Kompass.
Europas digitaler Kompass
Die Kommission schlägt daher einen digitalen Kompass vor, um die Digitalziele der EU für 2030 konkret umzusetzen.
Die Ziele drehen sich um vier wesentliche Kernpunkte:
1) Digital befähigte Bürgerinnen und Bürger und hoch qualifizierte digitale
Fachkräfte:
Bis 2030 sollten mindestens 80 % aller Erwachsenen über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen, und in der EU sollten 20 Millionen IKT-Fachkräfte (IKT steht für : Informatik und Kommunikation) beschäftigt sein.
Gleichzeitig sollten mehr Frauen in diesem Bereich arbeiten;
2) Sichere, leistungsfähige und tragfähige digitale Infrastrukturen:
Bis 2030 sollten alle Haushalte in der EU über eine Gigabit-Anbindung verfügen und alle bevölkerten Gebiete mit 5G-Netzen versorgt werden. 20 % der hochmodernen und nachhaltigen Halbleiter weltweit sollten in Europa
hergestellt werden.
3) Digitaler Umbau der Unternehmen:
Bis 2030 sollten drei von vier Unternehmen Cloud-Computing-Dienste, „Big Data“ und künstliche Intelligenz nutzen.
Über 90 % der KMU sollten zumindest eine grundlegende digitale Intensität erreicht und die Zahl der Start-up-Einhörner in der EU sollte sich verdoppelt haben. (Einhörner sind Start-ups, deren Marktbewertung vor dem Börseneintritt oder dem Exit bei mindestens einer Milliarde US-Dollar liegt).
4) Digitalisierung öffentlicher Dienste:
Bis 2030 sollten alle wichtigen öffentlichen Dienste online verfügbar sein. Alle Bürgerinnen und Bürger werden Zugang zu ihren elektronischen Patientenakten
haben und 80 % von ihnen sollten eine eID-Lösung nutzen.
Der Kompass sieht – wie bereits erwähnt – eine robuste gemeinsame Governance-Struktur mit den Mitgliedstaaten vor.
Mehrländerprojekte
Um Lücken bei den kritischen EU-Kapazitäten besser schließen zu können, wird die Kommission die rasche Einleitung von Mehrländerprojekten erleichtern, bei denen – aufbauend auf der Aufbau- und Stabilitätsprogrammen und anderen EU-Fördermassnahmen – Investitionen aus dem EU-Haushalt, den Mitgliedstaaten und der Industrie zusammengeführt werden.
Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, mindestens 20 % der Ausgaben in ihren Aufbau- und Stabilitätsplänen für die digitale Priorität vorzusehen. Zu möglichen Mehrländerprojekten zählen etwa eine europaweit vernetzte
Datenverarbeitungsinfrastruktur, die Konzeption und Verbreitung der nächsten Generation stromsparender vertrauenswürdiger Prozessoren oder vernetzte öffentliche Verwaltungen.
Digitale Rechte und Grundsätze
Die Rechte und Werte der EU stehen im Mittelpunkt des auf den Menschen ausgerichteten europäischen Weges der Digitalisierung. Sie sollten im Online-Raum ebenso wie im richtigen Leben umfassend berücksichtigt
werden. Aus diesem Grund schlägt die Kommission vor, einen Rahmen für Digitalgrundsätze zu schaffen. Ganz allgemein geht es darum, dass dieselben Rechte, die offline gelten, auch online
uneingeschränkt ausgeübt werden können. Schließlich schlägt die Kommission eine jährliche Eurobarometer-Umfrage vor, die abfragt, wie die Europäerinnen und Europäer die Einhaltung ihrer Rechte im Internet sehen.
Ein digitales Europa in der Welt
Der digitale Wandel bringt globale Herausforderungen mit sich. Die EU wird sich dafür einsetzen, dass sich ihre positive und auf den Menschen ausgerichtete digitale Agenda auch in internationalen Organisationen und durch starke internationale digitale Partnerschaften weiterverbreitet. Durch die Kombination der internen Investitionen der EU mit den beträchtlichen Mitteln, die im Rahmen der neuen Instrumente der externen Zusammenarbeit zur Verfügung stehen, wird die EU in der Lage sein, mit Partnern in der ganzen Welt zusammenzuarbeiten, um gemeinsame globale Ziele zu erreichen.
Die Kommission hat bereits vorgeschlagen, einen neuen EU-US-Handels- und Technologierat einzurichten.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig digitale Technologien und Kompetenzen sind, um zu arbeiten, zu lernen und am Leben teilzuhaben – und wo wir noch besser werden müssen.
Der digitale Kompass der EU-Kommission zeigt uns klare Perspektiven auf, wie wir das erreichen können. Digitaltechnik ist für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens
während der Coronavirus-Krise von entscheidender Bedeutung. Auch beim erfolgreichen Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft nach
der Pandemie wird sie den wesentlichen Unterschied ausmachen.
Auch die OSTBELGISCHEN Unternehmen, alle Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinschaft werden von den größeren digitalen Möglichkeiten profitieren können.
Nehmen wir den Begriff Industrie 4.0 – werte Kolleginnen und Kollegen – welcher erst 2011 – vor 10 Jahren also – als Zukunftsprojekt im Rahmen der Hightech-Strategie entstand.
Der Begriff Industrie 4.0 bezeichnet die intelligente Vernetzung von Maschinen und Prozessen in der Industrie. Dabei werden moderne Informations- und Kommunikationstechniken eingesetzt, um Kunden und Geschäftspartner in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse zu integrieren. Dadurch sollen Maschinen möglichst viele Aufgaben ohne menschliche Einwirkung umsetzen.
Außerdem sollen durch die Vernetzung der Maschinen Informationen untereinander ausgetauscht werden, um die Produktion effizienter und individueller zu gestalten.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Gehen dadurch Arbeitsplätze verloren oder werden durch die Modernisierung der Prozesse im Gegenteil nicht nur wertvolle Arbeitsplätze erhalten oder gar Neue geschaffen?
Hier liegen die Meinungen von den Fachexperten oftmals sehr weit auseinander: Eine Studie des Weltwirtschaftsforums kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2025 mehr Aufgaben von Robotern erledigt werden als von Menschen. Millionen Arbeitsplätze werden dadurch wegfallen, schreiben die Wissenschaftler in der Untersuchung »The Future of Jobs« – aber auch neue entstehen.
Laut der Studie aus dem Jahr 2018, werden derzeit noch 71 Prozent der Arbeitsstunden von Menschen verrichtet. Dieser Anteil soll bis 2022 auf 58 Prozent sinken. Die übrigen 42 Prozent erledigen dann Maschinen und Algorithmen.
2025 sollen mehr als die Hälfte der Arbeitsstunden von Maschinen erledigt werden. 75 Millionen Arbeitsplätze könnten bis 2022 weltweit wegfallen beziehungsweise durch Maschinen ersetzt werden, heißt es in der Untersuchung.
Es gibt aber auch gute Nachrichten: Zugleich würden 133 Millionen neue Stellen geschaffen. Für die seien dann aber zum Teil ganz neue Fachkenntnisse notwendig. Mit der letzten Aussage – die der neuen Fachkenntnisse – dürften wir wieder einen Bogen zurück zu der Ostbelgischen Wirtschaftssituation schlagen. Gerade in einer Grenzregion, wie der unsrigen, in einer Region deren Wirtschaftskraft vor allen Dingen von den vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen geschaffen wird, hängt die wirtschaftliche Entwicklung natürlich maßgeblich von den vorhandenen Arbeitskräften ab.
Die Aus- und Weiterbildung – gerade dieser Arbeitskräfte – liegt nicht nur im Bildungsbereich, sondern ebenfalls in vielen anderen Händen – wie z.B. dem ADG. Auch hier müssen wir im Jahre 2021, das Hauptaugenmerk in den Weiterbildungsmaßnahmen auf den Ausbau der digitalen Fähigkeiten unserer Arbeitnehmer legen.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Der Wirtschaftsraum einer Gemeinschaft identifiziert sich mit der Lebensregion. Nimmt man den Punkt 2 der 4 Kernpunkte des digitalen Kompasses, so lautet dieser dass, alle Haushalte in der EU über eine Gigabit-Anbindung verfügen und alle bevölkerten Gebiete mit 5G-Netzen versorgt werden sollen.
In Ostbelgien – und das wissen wir – möchten man auch vor dem Hintergrund dieser Ankündigung der EU-Kommission- nicht zu einer digitalen Wüste verkommen. Nun wir wissen auch, dass die DG massiv in den kommenden Jahren in das Glasfasernetz investieren möchte. Glasfaser ist aktuell nicht nur das modernste, sondern ebenfalls die nachhaltigste Lösung für die Zukunft. Die erreichte Geschwindigkeit kann heute bereits 1 Gigabyte/Sekunde erreichen.
Die meisten Gebiete in der DG – mit Kupferkabel versorgt – sind mit 35 Megabyte/Sekunde unterwegs. Also etwa 30 mal langsamer:
in einem Hundertmeterlauf würde somit der Gigabyte Läufer mit 10 Sekunden ankommen und der Megabyte Läufer käme dann nach sage und schreibe 5 Minuten ins Ziel – natürlich ohne irgendeine Chance auf eine Medaille. Auch wenn man durchschnittlich von etwa 200 Megabyte/Sekunde im Glasfasernetz Daten von A nach B sendet – so wäre man immer noch 6 x schneller.
Diese Geschwindigkeit von 35 Megabyte reicht aktuell natürlich aus für HD zu Streamen, für eine Videokonferenz, oder gar für VOIP (Voice over IP Telefonie).
Verdoppelt sich aber dieser Gebrauch – z.B. durch mehrere Anwender im Hause – dann kommt diese Technologie rasch an ihre Grenzen und die Leitung bricht zusammen.
Auch die Lebensregion OSTBELGIEN wird sich mit dem Ausbau dieser digitalen Infrastruktur auf ein europäisches Niveau hissen – und dies ist absolut notwendig.
Notwendig, damit unsere Dörfer weiterhin als Lebensmittelpunkt gelten können, damit Facharbeiter von ausserhalb nach Ostbelgien einen neuen Arbeitsplatz hier suchen und finden, damit Home-Office möglich ist….und damit wir der kommenden Generation die gleichen Perspektiven bieten können als die sogenannten Ballungsräume.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Projekte zur Verbesserung der digitalen Infrastruktur werden in den Haushalten der Staaten einen gewissen Vorrang geniessen. So wird auch die DG von den zur Verfügung gestellten Finanzmittel der EU profitieren
können. Nichtdestotrotz, bleiben noch viele Fragen offen, die ich Ihnen Frau Ministerin nunmehr
stellen möchte:
– Inwiefern stimmen die Projekte, die aktuell in der Deutschsprachigen Gemeinschaft im
Bereich Digitalisierung vorangetrieben werden, mit diesen Zielen überein?
– Wie lautet der aktuelle Stand in Punkto Glasfasernetzausbau DG?
➢ Wie sieht es mit der Gründung der Beteiligungsgesellschaft aus?
➢ Können Sie uns Näheres zur Aufgabe dieser Beteiligungsgesellschaft sagen?
– Werden Gelder aus den EU-Paket „Digitaler Kompass“ in den Ausbau des
Glasfasernetzausbaus DG fliessen?
– In der digitalen Strategie der EU, spricht man ebenfalls den Aspekt der
Digitalisierungen der Öffentlichen Dienste an:
• ADG : Wie sieht hier der aktuelle Stand in Punkto Digitalisierung aus :
➢ Ausrüstung der Mitarbeiter
➢ Dienstleistungen am Kunden
➢ Kontakt zu den Unternehmen
• WfG : Wie sieht hier der aktuelle Stand in Punkto Digitalisierung aus :
➢ Ausrüstung der Mitarbeiter
➢ Dienstleistungen am Kunden
➢ Kontakt zu den Unternehmen
– Wie ist der aktuelle Stand der Dinge bei den verschiedenen niederschwelligen
Digitalisierungsprojekten, die Sie in Ostbelgien angestoßen haben?
Antwort der Ministerin
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Werter Herr Freches,
Versuchen wir eine Einordnung: Die EU befindet sich inmitten globaler Umwälzungen technologischer, wirtschaftlicher und sozialer Natur. Sie muss ihre Position als Wirtschafts- und Wertegemeinschaft festigen und in einer digital transformierten Welt ihr Verständnis von Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit verteidigen. Das kann sie nur mit ökonomisch und technologisch prosperierenden Mitgliedsstaaten und Regionen erreichen. Der digitale
Kompass definiert die Handlungsschwerpunkte, die diese europäischen Regionen einzeln und im Verbund vornehmen müssen, um digital nicht abgehängt zu werden.
Gleichzeitig bewegt sich der große Staatenverbund EU in Richtung wirtschaftliche und soziale Konvergenz. Finanz- und Steuerwesen, soziale Absicherung und Standards, technologischer Fortschritt, um nur einige Beispiele zu nennen, sollen zugunsten der Freizügigkeit und des Wohlstands aller Bürger der Europäischen Union einheitlich entwickelt und gestaltet werden.
In diesem zukünftigen Europa werden demzufolge viele der jetzigen Standortvorteile unserer Nachbarregionen Luxemburg, Deutschland und auch der Niederlande nicht mehr in dieser Form bestehen. Wer jetzt also in Bereiche investiert, die mittel- und langfristig einen Vorsprung und eine Zukunftsbefähigung darstellen, der bewahrt seine Heimat vor der wirtschaftlichen und dahingehend auch kulturellen Bedeutungslosigkeit in einer Welt, die sich gerade rasant verändert!
Aber wenn wir hier in Ostbelgien über unsere digitale Zukunft diskutiert haben, tendierten wir oft zu Genügsamkeit: Die digitale Infrastruktur könnte zwar besser sein, aber eigentlich reicht sie aus für die normalen Internetaktivitäten der Haushalte. Kupferkabel werden es auch noch ein paar Jahre machen können. Unsere kleinen und mittleren Unternehmen sind bis jetzt auch ohne digitalen Schnickschnack klargekommen. Und wer online ein Formular ausfüllen muss, der ruft eben seine Enkelkinder an. Also alles im Lot auf der Insel Ostbelgien?
Natürlich nicht! Und darauf habe ich bereits seit 2018 stetig hingewiesen und das dritte Umsetzungsprogramm unseres REK entsprechend vorbereitet und 2019 um die Digitalstrategie erweitert.
Spätestens nach dieser Krise ist der akute Bedarf nach leistungsfähiger digitaler Infrastruktur und nach digitaler Befähigung ostbelgischer Unternehmen und aller Bevölkerungsgruppen offensichtlich geworden. Was viele für unwichtig, verschiebbar oder zu teuer gehalten haben, ist jetzt existenziell. Bei unseren Investitionen im Bereich der Digitalisierung geht es um nichts weniger als um die Zukunft unserer Familien: Wie schaffen wir es, dass unsere Kinder und Enkelkinder hier leben wollen, hier lernen können, einer Arbeit nachgehen und ihre Vereine, ihre Nachbarschaft unterstützen wollen und sowohl heimatverbunden als auch Bürger der Welt sein können?
Der Digitale Kompass gibt die Ziele vor: Digitale Infrastrukturen, Digitale Befähigung der Bürger*innen und Unternehmen, Digitalisierung der öffentlichen Dienste.
In jedem dieser Bereiche investieren wir massiv und damit möchte ich Sie zum Stand der Dinge für unsere Digitalisierungsprojekte in Ostbelgien informieren.
1. Digitale Infrastrukturen
Wie in dem von Ihnen zitierten Dokument der EU-Kommission zu lesen ist, stellt eine solide und schnelle Internetverbindung für jeden Haushalt aber auch für Unternehmen und Behörden den wichtigsten Baustein des digitalen Wandels dar. Konkret erfordern die Ziele der Kommission, dass für alle europäischen Haushalte in ländlichen oder städtischen Gebieten eine Internetanbindung von mindestens 100 Mbit/s, erweiterbar auf Gigabit-Geschwindigkeit besteht – und dies nicht etwa in einer fernen Zukunft, sondern in den kommenden 5 bis maximal 10 Jahren.
Durch die gleichzeitige Nutzung verschiedener Anwendungen durch mehrere Personen in einem Haushalt – man denke hier nur an Home-Office, Home Scooling, IPTV, Gaming, EHealth und verschiedenen Smart-Home-Anwendungen – entsteht ein deutlich höherer Bedarf an leistungsfähigen und stabilen Interanbindungen im Gigabit-Bereich. Diesen Anforderungen kann nur ein Glasfasernetz gerecht werden.
Die Verfügbarkeit von leistungsfähiger Breitbandinfrastruktur ist auch für die Wirtschaftswelt in Ostbelgien sehr wichtig. Unternehmen verlagern sich zunehmend in die Cloud und müssen ihre Prozesse für die wirtschaftliche Entwicklung in der Zukunft digitalisieren. Experten gehen davon aus, dass es sich beim Mehrbedarf an schnellen Internetverbindungen nicht um ein temporäres Corona – Phänomen handelt, sondern dass
die Digitalisierung durch die Krise verstärkt an Fahrt gewinnt, so dass ohne Investitionen in die Breitbandanbindung unterversorgter Gebiete eine Vertiefung der digitalen Kluft
droht.
Also haben wir den flächendeckenden Glasfaserausbau selber in die Hand genommen um schneller, nachhaltiger und bedarfsgerechter Ostbelgien mit schnellem Internet ausstatten zu können. 100 Mio. Euro wird es kosten, davon wird die öffentliche Hand maximal 40 Mio. zuschießen. Der Rest wird durch Kapitalinvestoren beigesteuert, die als Teilhaber der noch zu gründenden Kapitalgesellschaft agieren.
Nun aber konkret zum Stand der Dinge im Glasfaserprojekt. Wie bereits in diesem Hause erwähnt, befinden wir uns zurzeit in konkreten Gesprächsrunden mit potentiell interessierten Partnern zur Gründung der angesprochenen Kapitalgesellschaft.
Die aktuellen Gespräche werden sowohl mit den bekannten Telekommunikationsoperatoren als auch mit hiesigen, nationalen sowie internationalen Investoren geführt. Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir weiterhin davon aus, dass die Gesellschaft bis zum Ende des Jahres 2021 gegründet sein wird, was bedeutet, dass die Arbeiten zum Ausbau der Netzinfrastruktur im Jahr 2022 beginnen können.
Aufgabe dieser Gesellschaft wird es einerseits sein, den Netzausbau konkret in die Tat umzusetzen. Andererseits wird die Gesellschaft aber auch mit Managementaufgaben betraut sein, die mit der Steuerung und dem Betrieb der neu geschaffenen passiven Infrastruktur verbunden sind.
Neben der Teilfinanzierung des Projektes über den europäischen Wiederaufbauplan prüfen wir aktuell auch weitere Finanzierungsmöglichkeiten über europäische Mittel. Allerdings liegen hier zurzeit noch keine verbindlichen Zusagen vor. Es ist davon auszugehen, dass dies auch erst Ende des Jahres der Fall sein wird. Zur digitalen Infrastruktur gehören aber auch kleinteiligere Projekte, die zur digital unterstützten Daseinsvorsorge beitragen. Das sind digitale Angebote für alle Bedarfslagen: Vernetzung, Sozialer Zusammenhalt, Vereins- und Ehrenamtsarbeit, aber auch Vereinfachung der Kommunikation zwischen Gemeinde und Bürger.
Dazu haben wir das Projekt „Digitale Dörfer“ nach Ostbelgien geholt und in einem Aufruf die Gemeinden zur Teilnahme animiert. Amel und Bütgenbach sind gerade in der Implementierung einer DorfPage mit angeschlossener App und werden ihren Bürgern und Bürgerinnen in den nächsten Wochen alle Möglichkeiten anbieten können. Vereine haben mit der Plattform Emja, die wir professionalisiert, erweitert und mit mehr
Mitteln ausgestattet haben, die Möglichkeit sich zu präsentieren, den ersten Kontakt mit dem Ehrenamtlichen herzustellen und auf aktuelle Veranstaltungen hinzuweisen. Gleichzeitig können Ehrenamtliche selber ihre Zeit und ihr Engagement anbieten und nach Mitstreitern suchen. Emja ist schon jetzt verfügbar und wird mit den neuen, erweiterten Funktionen in den nächsten Monaten präsentiert.
Voraussichtlich im Oktober dieses Jahres wird das digitale Angebot des Arbeitsamtes um ein Bewerberportal erweitert, in dem Arbeitsuchende (sowohl arbeitslose wie beschäftigte Personen) die Möglichkeit erhalten, sich online zu registrieren, ihre Daten online zu verwalten und ihr Bewerberprofil für die Suche durch registrierte Arbeitgeber zu veröffentlichen.
Dadurch erhalten arbeitssuchende Bürger und Bürgerinnen nicht nur ein Instrument, um ihre Profildaten selbst zu verwalten, sondern auch um aktiv mit dem Arbeitsamt zu kommunizieren und Zugang zu den digitalen und analogen Instrumenten des Arbeitsamtes zu erhalten. Als Teil des vom Ministerium koordinierten Projekts des Single Digital Gateway (einheitliches digitales Zugangstor zu den Verwaltungsleistungen der Europäischen Union (EU) und der Mitgliedstaaten) soll das Bewerberportal dazu beitragen, den nutzerfreundlichen online Zugriff auf Informationen, Verfahren sowie Hilf- und Problemlösungsdienste europaweit zu ermöglichen.
Um gute digitale Infrastruktur geht es auch indirekt in unserem Projekt der Dorf-Büros. Auch hier haben wir die Gemeinden aufgerufen, ein Konzept für einen gemeinschaftlich genutzten Arbeitsraum mit gutem Internetanschluss einzureichen, den wir mit 15.000 Euro bezuschussen. Anfang nächsten Jahres werden in Herbesthal und Lontzen die zwei ersten ostbelgischen Dorf-Coworking Spaces eröffnet.
2. Digitale Befähigung der Bürger*innen und Unternehmen
Neben dem flächendeckenden Glasfaserausbau und unseren kleineren infrastrukturellen Projekten haben wir uns verstärkt auch für die digitale Kompetenzvermittlung unserer Bürger und Unternehmen in Ostbelgien eingesetzt. Im Rahmen des WFG-Projektes „Ostbelgien auf dem Weg zur Industrie der Zukunft“ wurde im Herbst 2020 eine breit angelegte Informations- & Sensibilisierungskampagne zum Thema Digitalisierung/Industrie 4.0 in ganz Ostbelgien lanciert. Seit letztem Jahr werden verstärkt Kurse für Selbständige, Händler*innen und Unternehmer*innen zu den Themen „Online-Verkauf und Digital-Marketing“ organisiert, die auf sehr viel Interesse stoßen und den großen Bedarf nach fachkundiger Begleitung in Digitalisierungsthemen andeuten lassen. Ab dem Sommer werden speziell geschulte und von unserem Medienzentrum begleitete Ehrenamtliche – die sogenannten „Digital-Botschafter*innen“ – für Senioren und Seniorinnen, aber auch in Vereinen und Gruppen bedarfsgerechte digitale Einweisungen vornehmen. Dabei können Sie auf die Plattform, die umfangreiche Materialsammlung unddie Erfahrungswerte des Medienkompetenzforums Rheinland-Pfalz zurückgreifen, mit dem wir eine dreijährige Kooperationsvereinbarung abgeschlossen haben. Infolgedessen steht auch unseren ostbelgischen Senioren*innen ein breit gefächertes Angebot an deutschsprachigem Video- und Lernmaterial zur Verfügung.
3. Digitalisierung der öffentlichen Dienste
Die digitale Transformation ist auch im Bereich der öffentlichen Dienste und Einrichtungen ein Dauerthema. Im großen IT- Gesamtprojekt dieser Legislatur sollen zunächst einmal prozessinterne Verwaltungsabläufe mit digitalen Mitteln effizient gestrafft werden, und zwar in allen öffentlichen Einrichtungen. Dadurch sollen den Bürgern im Anschluss neue und bessere Online-Dienste angeboten werden. Ziel ist es, eine effiziente, zielgerichtete, digitale Verwaltung aufzubauen, die proaktiv auf die Bürger und ihre Bedarfe eingehen kann. Mit dem Projekt „Digitales Bürgerportal“ können zukünftig Anträge nicht nur analog, sondern auch digital eingereicht, bearbeitet und beantwortet werden.
In diesem Kontext befindet sich auch die WFG im digitalen Transformationsprozess. Was die Kunden-Dienstleistungen und den Kontakt zu Unternehmern angeht, so wurde seit Frühjahr letzten Jahres bis zum heutigen Tag bei der WFG weitestgehend auf Online- oder Telefonberatungen umgesattelt. Obwohl das für viele als praktisch und zeitsparend empfunden wird, bekommt die WFG auch die Rückmeldung, dass der direkte Kontakt mit den Beratern fehlt. Da die Bürger in erster Linie komfortable und personalisierte Dienstleistungen erwarten, wird die WFG sich weiterhin an den Bedürfnissen der Kunden orientieren und wahrscheinlich auch zukünftig beide Möglichkeiten (digitale oder Vor-Ort-Beratung) anbieten. Im Zuge der gegenwärtigen sanitären Krise hat die WFG natürlich auch viele ihrer Veranstaltungsformate in online und digital umgestaltet. Seien es verschiedene
Seminare, die zu Webinaren wurden, Veranstaltungen für Schulen, die zu einem Youtube-Livestream wurden, usw. Etablierte Formate, wie z.B. das Early-Birds-Unternehmerfrühstück wurden aber bewusst nicht digital abgebildet, da hier ganz klar der größte Mehrwert des Events in der Vor-Ort-Besichtigung eines Unternehmens und den anschließenden persönlichen Netzwerken liegt. Es reicht eben nicht immer, einfach
bestehende Prozesse im Internet oder digital abzubilden und verfügbar zu machen. Was die Ausstattung der Mitarbeiter der WFG angeht, so sind diese alle mit Laptops ausgestattet, mit denen sie somit auch von zuhause oder anderswo arbeiten und auf den WFG-Server gesichert zugreifen können. Anfang 2020 wurden neue Server für beide Standorte in Eupen und St. Vith angeschafft, die miteinander vernetzt sind und das Gesamtvolumen der Daten wird per Backup gesichert. Durch eine Firewall wird das sichere Arbeiten auf Distanz ermöglicht. Seit Ende Dezember 2020 wurde für den Standort Eupen die Internetleitung auf Glasfaser umgestellt.
Auch das Arbeitsamt konnte flexibel auf die Anforderungen der Kontaktbeschränkungen reagieren. Über virtuelle Desktops können die Mitarbeiter von jeder Dienststelle aus in ihrer persönlichen Umgebung arbeiten. Mobile sowie im Homeoffice tätige Mitarbeiter werden zurzeit mit einer Softphone-Lösung ausgestattet, um standortunabhängig über ihre Büronummer erreichbar zu sein. Sowohl die Dienstelle Eupen als auch St. Vith nutzen schon seit mehreren Jahren eine Glasfaseranbindung. Zwei Versammlungsräume in Eupen und St. Vith sind bereits seit 2018 mit einem Videokonferenzsystem ausgestattet.
Im Kontakt mit den Kunden wurden vermehrt digitale Medien benutzt. So wurde in der Berufswahlorientierung das Angebot für Schüler, Studenten und Eltern digital angeboten. Ergänzend sind weiterführende Infos als Videos zu Studium und Wege nach dem Abitur auf der Webseite abrufbar. Obwohl in der Kommunikation mit den Kunden vermehrt digitale Kanäle eingesetzt werden, hat sich aber auch hier gezeigt, dass weiterhin ein Bedarf nach persönlichem Kontakt und Beratung besteht. Das verstärkte digitale Angebot kann gleichzeitig aber dazu beitragen, dass Ressourcen für digital eingeschränkte Kunden freiwerden. Auch das ADG befindet sich aktuell an einem technischen Wendepunkt und die im digitalen Kompass angeführten Zielsetzungen stimmen mit der hier eingesetzten obersten strategischen Priorität überein.