Rede zum Krisendekret – Plenarsitzung vom 6/4/2020
Gregor Freches – Fraktionsvorsitzender der PFF
- Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident,
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Sehr geehrte Herrn Minister,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
In Krisenzeiten nicht den Überblick zu verlieren und weiter besonnen seine Aufgaben zu erfüllen – so sollte der Leitgedanke all derer sein, die in der heutigen Zeit in Verantwortung stehen.
Den Beginn des Jahres 2020 hatte sich jeder von uns bestimmt anders vorgestellt und ich behaupte einmal, dass sich keiner – sogar in seinen schlimmsten Albträumen – jemals vorstellen hätte können, dass ein Virus die ganze Welt in Atem hält und regelrecht aus den Angeln heben würde.
2020 sollte ein Jahr werden, welches viele persönliche Träume erfüllen sollte.
2020 – sollte auch aus sportlicher Hinsicht ein Jahr voller interessanter Höhepunkte werden, gespickt mit vielen Ereignissen wie die Fußball EM oder aber die Olympiade in Tokio.
Trotz allem dreht sie sich weiter, unsere Erde, nur eben anders… ausgebremst durch einen Virus…
Und die Frage mag erlaubt sein,
- WIE wir in dieser so modernen Welt,
- in Zeiten wo wir Menschen seit fast 60 Jahren in den Orbit schicken und wieder gesund nach Hause bringen,
- in Zeiten wo wir alle Art von Technologien entwickeln, Konsumgüter noch und nöcher produzieren,
wir vor einer ansteckenden Krankheit kapitulieren müssen und demzufolge unser gewohntes Leben von einem auf den anderen Tag komplett verändern müssen.
Der Alltag, der gestern noch geregelt und von größtmöglicher Freiheit geprägt war, unterliegt seit einigen Wochen strengen Regeln und die Zukunft liegt ungewisser vor uns denn je.
Was von vielen zu Beginn der ersten COVID 19 Nachrichten noch in weiter Ferne gerückt wurde – denn China ist ja bekanntlich am anderen Ende der Welt – lässt jeden von uns davor bangen, ja nicht vom Virus infiziert zu werden.
Freunde, Bekannte, tausende von Menschen, die gestern noch in voller Blüte in ihrem Leben standen, die Perspektiven und Ideen hatten, sind leider von uns gegangen.
Sie führten einen ungleichen Kampf – einen Kampf gegen den Virus!
Inegal wird dieser Kampf bleiben und dies bis zu dem Moment, wo die so dringend benötigten Medikamente oder die helfenden Therapiemethoden entwickelt worden sind.
Die Pharmaindustrie auf der ganzen Erde sucht PAUSENLOS nach Lösungen, um Medikamente gegen diese heimtückische Krankheit zu entwickeln…
Da aber noch kein greifbarer Erfolg vermeldet werden kann, müssen wir bis auf weiteres unser Leben anpassen und unsere Tagesabläufe demnach organisieren.
Das Ohnmachtsgefühl, welches viele von uns befallen hat, darf aber nicht zu einer Falle mutieren, denn nun heißt es ZUSAMMEN die Krise zu meistern und die vielen helfenden Hände in medizinischen und sozialen Projekten zu unterstützen.
Durch das Einsetzen von außergewöhnlichen Maßnahmen, versucht jedes Land auf seine eigene Art und Weise Herr der Lage zu werden.
Jeder ist sich momentan selbst am Nächsten – auch wenn viele sich einen globaleren Kampf gegen die Krankheit, gegen die Seuche gewünscht hätten, denn wir sind miteinander verwoben – und zwar alle: China, Italien, Spanien, Deutschland, Belgien und alle anderen.
Wir sind tatsächlich eine Welt.
Unbegreiflicherweise gibt es weiterhin unbelehrbare Landesführer oder Regierungen, die sich der Gefahr, die von dieser Pandemie ausgeht – noch gar nicht bewusst sind, oder sie gar zur Bagatelle degradieren.
Anders dagegen agierte der nationale Krisenstab in Belgien, welcher sich relativ rasch der Lage bewusst wurde und gar nicht anders handeln konnte,
- als die Ausgangsbeschränkungen zu verhängen,
- den größten Teil der Wirtschaftsaktivitäten auf unbekannte Zeit in eine Pause zu senden,
- die Schulen komplett zu schließen,
- Altenheime zu schützen,
- uvm…
damit unser Gesundheitssystem diesen unbekannten Anforderungen Stand halten und damit verbunden die Menschen – unsere Mitmenschen – schützen kann.
Solidarität, Zusammenhalt aber auch die Verantwortung, die man für sich selbst, aber auch für andere trägt, sind die neuen Leitgedanken, die ein jeder für sich beherzigen sollte.
Meine Damen und Herren,
- Unverantwortlichkeit,
- unsachliche und wenig fundierte Parolen,
- Infragestellung der Meinungen von Wissenschaftler,
- (besserwisserische) unseriöse Leserbriefe,
- ein Verkennen der Ernsthaftigkeit der Lage,
- Impfgegner
- oder gar die Forderung nach einer Lockerung der Maßnahmen
sind mehr als fehl am Platz.
Sie führen dazu, dass die Solidaritätsgesellschaft in zwei Lager gespaltet wird und damit verbunden wir alle in Gefahr gebracht werden.
Die Solidaritätsgemeinschaft, die sich eben erst festigt und neue Grundwerte entdeckt.
Heute gilt nur die Prämisse:
Sinnvolle und nachvollziehbare Maßnahmen zu ergreifen, um die aktuelle Krise zu bewältigen, und sich trotz allem bereits damit zu beschäftigen, wie es weiter gehen soll, damit wir alle in naher Zukunft wieder zur Normalität zurückfinden können!
Nur diesen Zeitpunkt, der Zeitpunkt zur Rückkehr zum Leben vor der Krise kennt keiner von uns…weder die Spekulanten noch die Wahrsager und schon gar nicht die selbsternannten Propheten!
Unser ganzes Land muss aufrechterhalten werden.
Es heißt Belgien in all seiner Vielfalt weiter am Leben zu erhalten.
Meine werten Kolleginnen und Kollegen,
Seit nun etwa 3 Wochen, gelten die verschärften Regeln, die wir alle zu akzeptieren haben.
Das heute zu verabschiedende Krisendekret wird von unserer Fraktion in vollem Umfang getragen, und wir sehen, dass außer einer Fraktion, wir alle anderen 22 Volksvertreter verstanden haben,
- um was es hier geht und
- uns dem Ernst der Lage bewusst sind!
Denn der Dekretvorschlag des Krisendekretes sieht im Wesentlichen folgende Maßnahmen vor:
- zeitweilige Befugnisübertragung vom Gemeinderat an das Gemeindekollegium,
- zeitweilige Aussetzung von dekretal festgelegten Fristen,
- zeitweilige Aufhebung der Verpflichtung, Gutachten und Stellungnahmen einzuholen,
- Zuweisung von zweckbestimmten Einnahmen,
- Erweiterung der gerechtfertigten Abwesenheiten im Unterrichtswesen.
Das von der Verwaltung des Parlamentes ausgestellte Gutachten liefert u.a. viele Antworten in Bezug auf die Verfassungskonformität, auf welches wir gerne an dieser Stelle verweisen dürfen.
Meine Damen und Herren,
Natürlich – und vielleicht liegt es auch in der Natur der Sache, dass einige Fraktionen dieses Hauses bereits heute am 6.4.2020 – einige Wochen nach Ausbruch der Krise – vieles fordern und vieles in Frage stellen.
Dafür ist es in meinen Augen aber noch viel zu früh!
Ohne eine fundierte Bestandsanalyse, die auf ALLEN Ebenen des belgischen Staates zu erfolgen hat, laufen wir nicht nur Gefahr, falsche und voreilige Entscheidungen zu treffen, sondern gar Hoffnungen zu wecken, die dazu führen könnten, dass das gewünschte Resultat verfehlt wird.
Dass besonders der Gesundheitssektor in all seine Facetten mehr denn je gefordert ist und ihm SOWIE allen Menschen, die weiterhin ihrer Arbeit unermüdlich nachgehen, ein besonderer Dank gebührt, steht außer Frage.
Wie die Wirtschaft, diesen Lockdown überstehen wird und kann, werden die kommenden Wochen zeigen, wenn sie irgendwann wieder hochgefahren und der Weg aus der Krise begangen wird.
- Wie werden wir die wirtschaftlichen Folgen der Corona Krise abfedern können?
- Wie soll unser Sozialstaat zudem gestärkt und gesichert werden?
Bis zur Beantwortung dieser Fragen unterstützt der belgische Staat AUF ALLEN EBENEN!
Der Staat versucht den Menschen und den Betrieben Hilfen zur Verfügung zu stellen.
Die finanziellen Mittel wurden massiv aufgestockt, damit MEHR als eine Million Menschen in Kurzarbeit unterstützt werden können.
Unbürokratisch noch dazu, verhilft der Staat vielen dazu, ein Einkommen zu erhalten, damit sie ihre Mieten, ihre Raten oder ihren Lebensunterhalt weiter absichern können.
Ferner geht es auch darum die BETRIEBE zu entlasten.
Dazu werden den Unternehmen viele Erleichterungen eingeräumt.
Belgien kann hier als ein Musterbeispiel genannt werden, denn das ist nicht überall in Europa so…nicht überall geht der Staat derart vor und nicht überall funktioniert das Gesundheitssystem so gut wie in Belgien.
Meine Damen und Herren,
Ende April findet die kommende Plenarsitzung statt.
In dieser wird dann die erste Haushaltsanpassung vorgestellt und das eine oder andere weitere Krisendekret zur Verabschiedung vorgelegt werden.
Wir, die DG, halten viele Instrumente in unseren Händen, Instrumente, die es heißt, GEZIELT anzuwenden, um keine Gemeinschaft der 2 Geschwindigkeiten aufzubauen.
Aber die DG ist auch abhängig von übergeordneten Ebenen, die weitere Schlüssel in ihrer Hand halten.
Die parlamentarischen Debatten in den kommenden Monaten werden lebhaft werden.
Damit aber zukunftsorientierte und nachhaltige Lösungsansätze und NEUE Perspektiven geschaffen werden können, benötigen wir die Einbeziehung vieler Partner und Akteure.
Das Gefühl der Gemeinschaft wird erneuert und gestärkt.
Das hat auch unsere, ja die Deutschsprachige GEMEINSCHAFT, verstanden!
Wir müssen uns innerbelgisch konzertieren und auch auf unsere Lage als Grenzregion hinweisen…zu viel hängt davon ab.
Volkswirtschaftlich betrachtet wird diese Krise eine andere sein als die Finanzkrise 2007-2008!
Damals wurden viele Instrumente geschaffen, die heute greifen können.
Nur einen kompletten Lockdown (wie in Italien und Spanien) gab es damals nicht – irgendwie drehten sich die Zahnräder der Wirtschaft damals weiter und das Leben der meisten Menschen verlief weiterhin in gewohnten Bahnen!
- Nur AB WANN drehen sie sich wieder, diese Zahnräder?
- WIE GROSS werden die Auswirkungen sein?
- AB WANN können wir wieder die Freiheit so genießen, wie vor der Krise?
Hoffnung geben die neuesten Zahlen, wo mehr Menschen das Krankenhaus verlassen als neue eingeliefert werden.
Schließen möchte ich meine Rede mit einem Zitat von Rosa Luxemburg:
Nur Mut, wir werden es schon weiter mit dem Leben aufnehmen, wie es auch kommen mag.
Ich danke Ihnen für ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
Im Namen der PFF Fraktion,
Gregor Freches
Fraktionsvorsitzender