Aussprache: Gemeinschaftspolitische Erklärung der Regierung – Dokument 25 (2019) Nrn. 1-2
Fraktionsvorsitzender Gregor Freches – Fraktion der PFF
Redebeitrag
Eupen, den 23/9/2019
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident,
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Sehr geehrte Herrn Minister,
Sehr geehrte Damen und Herrn Abgeordnete,
Ich weiß nicht, ob es besser wird,
wenn es anders wird.
Aber es muss anders werden,
wenn es besser werden soll.
Ein Zitat aus dem 18. Jahrhundert von Georg Christoph Lichtenberg (geb. 1.7.1742 in Ober-Ramstadt – 24.2.1799 in Göttingen), seines Zeichens deutscher Mathematiker und Professor für Experimentalphysik sowie der Begründer des deutschsprachigen Aphorismus, bildet heute den Einstieg meiner Rede zur Regierungserklärung vom 16/9/2019. Einer Regierungserklärung, die der Ministerpräsident uns in seiner bekannten und markanten Art und Weise am letzten Montag genau hier an dieser Stelle präsentierte.
In aller Offenheit ging er auf die kommenden großen Herausforderungen dieser Legislaturperiode ein. Und das ist genau das, was die Bürger und Bürgerinnen von uns erwarten: Offenheit und Dialogbereitschaft.
Diese Regierung bzw die gesamte Mehrheit steht nicht nur für die Kontinuität der Verantwortung des politischen Handelns in der DG, sondern gleichermaßen für eine breite Gesprächsbereitschaft mit ALLEN Akteuren, gleich welcher Art.
Meine Damen und Herren,
Wir sind uns einig, dass es Veränderungen auf vielen Gebieten in der DG bedarf und wir wissen, was wir wollen.
Es heißt gesamtpolitisch ein Gleichgewicht zu finden zwischen den aktuellen Herausforderungen und einer nachhaltigen, ja bürgernahen Lösungsfindung. Einer Lösungsfindung, die uns dazu führen wird, die Lebensregion OSTBELGIEN attraktiv und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln.
Dieser Begriff der „Lebensregion“, der immer wieder im Regionalen Entwicklungskonzept vorkommt,
- umfasst eigentlich ALLES, worüber wir reden,
- beinhaltet ALLES, worüber wir uns als Politiker Gedanken machen sollten
- und bezeichnet ALLES, worüber wir uns mit unseren Mitmenschen austauschen sollten.
Eine umfangreiche Bereitschaft, sich
- mit den Frauen und Männern
- mit den Verantwortlichen der Institutionen
- mit den Sozialpartnern
- mit den Ehrenamtlichen, usw…
zu verständigen und ihre Ideen und Anmerkungen zu übernehmen – gerade dieser breitangelegte Dialog bildet den wahren Baustein dieser Regierungserklärung und somit das Fundament einer erfolgreichen Politikgestaltung für die kommenden 5 Jahre. Immer wieder lag die Betonung auf den permanenten Austausch, damit OSTBELGIEN moderner wird und damit OSTBELGIEN sich den Anforderungen der Globalisierung stellen kann.
Denn – auch wenn einige es nicht wahrhaben wollen oder es akzeptieren möchten – diese weltweite Verflechtung in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur u.v. anderen Bereichen, schreitet unaufhaltsam voran.
Diese Globalisierung, sie kennt keine territorialen Grenzen, macht demnach auch vor dem kleinen OSTBELGIEN nicht halt.
Meine Damen und Herren,
Meines Erachtens wurde auch zu Recht in der 90minütigen Regierungserklärung auf die schwierigen Zeiten hingewiesen, auf die düsteren Wolken, die sich am breiten Horizont der Weltwirtschaft auftun. Diese Zeichen der Zeit zu übersehen oder sie nicht wahrzunehmen, ja dies würde definitiv zu einer fatalen Fehleinschätzung der Lage führen.
Wir befinden uns mehr denn je in einer fragilen Situation der weltwirtschaftlichen Lage:
Nicht nur der vor uns liegende BREXIT (ob Deal oder No-Deal) – der ein exportorientiertes Land wie Belgien sehr treffen wird – , sondern generell die gesamte wirtschaftliche Lage, schränken die Entwicklung der Märkte ein.
Alle Wirtschaftsparameter zeigen nach unten – und damit verbunden sinken auch die Einnahmen der DG.
Nun, die Haushaltsdebatten liegen noch vor uns, und darum werde ich mir nun erlauben, wieder zu den wesentlichen Themen der Regierungserklärung zurück zu kehren. Einer Regierungserklärung, deren Inhalt immer wieder einen deutlichen Verweis auf die Ausarbeitung des REK 3 (Regionalen Entwicklungskonzeptes) und der damit verbundenen Zukunftsprojekte aufweist. Die damit einhergehende Entwicklungspolitik wurde vielen Prozessen der Anpassung unterzogen.
Nicht nur, dass die 9 Gemeinden sich an dieser Ausarbeitung beteiligen konnten – nein, auch unzählige Akteure der zivilen Gesellschaft wurden in die Ausarbeitung des gesamten Werkes mit eingebunden. Einmal mehr zeigt dieser Entstehungsprozess auf, dass die Bereitschaft herrscht, eine partizipative Demokratie zu leben und diese förmlich weiterauszubauen – einen wichtigen Schritt hin zu einer Gestaltung MIT Perspektiven.
Gerade vor dem Hintergrund der Einbindung der zivilen Bevölkerung, reihen sich der soeben eingesetzte Bürgerrat und die später folgenden Bürgerversammlungen nahtlos ein.
Mein Kollege Alexander Miesen wird in seiner Rede näher darauf eingehen.
Meine Damen und Herren,
Neben den zahlreichen Zuständigkeiten, die die DG ausübt, gesellen sich neue Schwerpunktthemen dazu.
Themen, auf die sich diese Koalition in mehreren Diskussionsrunden verständigt hat, und die da lauten:
- die Digitalisierung
- die Neustrukturierung der Berufswahlorientierung
- sowie der Fachkräftemangel.
Die Herausforderung der Digitalisierung annehmen und sie als Chance begreifen?
Man könnte auch weiter gehen und fragen:
- Sind wir bereit für die Digitalisierung?
- Sind wir bereit uns umzustellen?
- Sind wir bereit diese Challenge anzunehmen?
Auch wenn der Gedanke der Digitalisierung häufig Anlass zur Diskussion und Kritik gibt, müssen sich Gesellschaft, Wirtschaft und Politik damit befassen – auch wir in OSTBELGIEN!
Global betrachtet – und da wären wir wieder bei der Globalisierung – wird hier definitiv KEIN Weg an der digitalen Veränderung vorbeigehen.
Wenn wir heute – und ich betone heute – nicht abgehängt werden wollen, ja dann heißt es den Wirtschaftsstandort zu fördern, die Bildungsregion anzupassen und den Mitmenschen den Lebensmittelpunkt OSTBELGIEN moderner zu gestalten.
Meine Damen und Herren,
Schauen wir nur etwas mehr als 100 Jahre zurück und begeben uns zu den Anfängen des 20. Jahrhunderts: Europa erlebt die „Industrielle Revolution“, einer Veränderung der Welt, die zu einer stark beschleunigten Entwicklung von Technik, Produktivität und Wissenschaften führte….
Kommt uns dies nicht bekannt vor…wo ständen wir heute OHNE diese Veränderungen.
Und genauso ist die Digitalisierung zu betrachten – wie ein roter Faden, der sich durch unser Leben zieht und sich weiterziehen wird. In allen Lebensbereichen stoßen wir darauf – ob gewollt oder nicht.
Für unsere Partei ist der Fortschritt einer der wesentlichen Motoren unserer Gesellschaft!
Hier brauchen wir nicht nur Initiativen, sondern wir benötigen eine breite Befürwortung der gesamten Bevölkerung – sowie den Mut dies anzunehmen – damit keiner auf der Strecke bleibt. Gerade im Bildungssektor eröffnen sich durch die Digitalisierung enorm viele neue Anwendungsfelder, die die Unterrichtsmöglichkeiten auf eine andere Ebene heben können.
Diskussionen, wie sie aktuell in Deutschland geführt werden, ob Informatik generell als Schulfach eingeführt werden soll – und dies bereits ab den Grundschulklassen – sollten uns ebenfalls aufhorchen lassen und wir sollten uns damit befassen.
Bei meinen Recherchen dazu, fand ich auf dem Bildungsserver des Landes Berlin-Brandenburg folgenden Hinweis:
„Das Unterrichtsmodul Informatik soll Erst- bis Sechstklässler auf die sie umgebende digitale Welt vorbereiten und ihnen (und ihren Lehrern) informatische Grundbildung vermitteln.“
Das hier zitierte Modul gliedert sich in 9 Unterrichtseinheiten:
5 für Klasse 1 bis 3 (30 einzelne Einheiten à 30 bis 60 Minuten)
4 für Klasse 4 bis 6 (23 einzelne Einheiten à 1 bis 1,5 Stunden)
Hier ein Beispiel aus Deutschland, aber wir brauchen nur einen Blick in Richtung Herverland zu werfen, wo bereits „CoderDojo – Ateliers“ angeboten werden.
Es handelt sich hierbei um Programmierclubs, die auf der ganzen Welt organisiert werden.
Nun, meine werten Kolleginnen und Kollegen,
es geht uns hier nicht darum, wieder ein Fach mehr in den Unterrichtsalltag aufzunehmen.
Es könnten Überlegungen gestartet werden, welche Fächer heute noch zeitgemäß sind…Woche um Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr.
Fächer wie Religion, Musik, Kunst oder andere könnten in übergreifende Wertefächer zusammengefasst werden und somit den Schülern anders beigebracht, ja vermittelt werden.
Denn Informatik als Schulfach einzusetzen, den Schülern damit ein Rüstzeug für die Zukunft zu bieten und zur Verbesserung ihrer späteren beruflichen Perspektive beizutragen, bringt mich unweigerlich zu einem weiteren Schwerpunkt dieser Koalition, der da wäre:
die Neustrukturierung der Berufswahlorientierung.
Eine entscheidende Maßnahme im Kampf gegen den Fachkräftemangel ist die engere Verzahnung von Bildungs- und Beschäftigungspolitik. Die Wichtigkeit des Ineinandergreifens der Unterrichtsvermittlung hin zu einer beruflichen Laufbahn, haben wir bereits öfters hier erwähnt und wir werden dies weiter unermüdlich tun.
Welche Maßnahmen sind hier geplant:
- Wir widmen der Berufswahlorientierung ein eigenes REK-Projekt und haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Pilotprojekt am KAE wichtige Investitionen getätigt.Jeder Schüler sollte in seiner Schullaufbahn von der Primarschule bis zu seinem Abschluss systematisch auf die spätere Studien- und Berufswahl vorbereitet werden.
- Aus dem Pilotprojekt, das auch wissenschaftlich begleitet wurde, heißt es nun die richtigen Schlüsse zu ziehen.
- Durch die Bündelung der Kräfte soll den Schulen, die die Berufswahlorientierung in ihrem Auftrag haben, ein ständiger Ansprechpartner an die Seite gestellt werden. Diese zentrale Aufgabe übernimmt das Arbeitsamt der DG.
- Zudem wird das Programm Wirtschaft macht Schule ausgebaut, welches den Schulen ermöglicht, ihren Schülern auch zusätzliche Projekte anzubieten. So kann den Jugendlichen Ostbelgien als Lebens- und Arbeitsstandort besser vermittelt werden.
- Dass die Datenlage über junge Menschen lückenhaft ist, war uns stets bewusst und aus diesem Grund wurde der Jugendbericht ins Leben gerufen.
- Der erste Jugendbericht hat die Lücken erkannt und die darauffolgenden werden diese schließen, um somit mittelfristige Beobachtungen von Tendenzen und Veränderungen zu erlauben.
Der dritte und somit letzte Schwerpunkt, mit dem ich mich in der Vorbereitung zu meiner Rede befasst habe, ist der folgende Ansatz:
Wie können wir gezielt gegen den Facharbeitermangel vorgehen?
Um unseren Wirtschaftsstandort mit seiner Dynamik und Innovationskraft langfristig abzusichern, ist eine Bündelung aller Kräfte erforderlich – ein sogenanntes Fachkräftebündnis also.
Daher wurde ein Fachkräftemonitoring durchgeführt. Auf Grundlage dieser Erhebung hat das Fachkräftebündnis die Aufgabe, eine weiterführende Gesamtstrategie für OSTBELGIEN zu entwickeln. Wir wollen dabei auf Erfahrungen aufbauen, die andere Regionen bereits gemacht haben. Mit diesem Bündnis für mehr Fachkräfte verfolgen wir einen integrativen Ansatz.
Dort diskutieren alle Akteure mit, die heute und morgen zur Fachkräftesicherung beitragen können:
- Vertreter aus Politik und Wirtschaft,
- der Arbeitsvermittlung,
- der mittelständischen Ausbildung,
- der Wirtschaftsförderung und
- natürlich aus den Reihen der Sozialpartner.
Das Fachkräftebündnis (FKB) hat seine Arbeit aufgenommen und bereits Projekte im Rahmen des entwickelten Aktionsplans durchgeführt, bzw. gestartet. Das FKB ist ein strategisches Instrument, das querschnittlich arbeitet und zielgerichtet dem Fachkräftemangel entgegenwirken wird. Dazu gehört ebenfalls, die „Vermittlung aus einer Hand“ zu erwähnen:
Der ostbelgische Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt.
Wir haben den niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit. Das bedeutet aber NICHT, dass wir alles erreicht haben und uns darauf ausruhen dürfen.
Im Gegenteil! Denn auf der einen Seite stehen wir vor einem erheblichen Fachkräftemangel, und auf der anderen Seite erkennen wir, dass viele Arbeitslose oftmals nicht leicht vermittelbar sind.
2 Gründe erschweren hier die Eingliederung in die berufliche Welt:
Migrationshintergrund sowie die vereinzelte Niedrigqualifizierung.
Dennoch gilt auch in der Deutschsprachigen Gemeinschaft die Maxime: Jede Arbeitskraft ist wichtig.
Aus diesem Grund muss die Vermittlungsarbeit grundlegend reformiert werden.
- Was müssen wir anbieten?
- Worin besteht die Vermittlungsarbeit von heute und morgen?
- Und wie machen wir es?
- Wie können wir Weiterbildungen in den Betrieben fördern?
- Wie können wir Umschulungen organisieren?
Für die Koalition ist klar, dass auch gerade hier ein großer Reformbedarf besteht. Drehtüreffekte und Reibungsverluste, die auf Strukturfragen zurückzuführen sind, darf es dafür in Zukunft nicht mehr geben.
Meine Damen und Herren,
Zum Abschluss meiner Rede möchte ich doch noch gerne auf 2 Aspekte eingehen, die da lauten Mehrsprachigkeit sowie ganz kurz auf die neuen Zuständigkeiten. In der Regierungserklärung wies der MP auf die Verbesserung der Mehrsprachigkeit auf. Zu Recht wie wir finden, nur fehlte mir der Hinweis zu den Bilingualen Kindergärten bzw Bilingualen Primarschulen.
Erste Projekte wurden in Kelmis und Eupen geschaffen – beides in Athenäen! Begrüßenswerterweise hat die Gemeinde Lontzen nun auch diese Richtung einschlagen und arbeitet an der Umsetzung. Das sind gerade einmal 3 Gemeinden von 9 (33%). Politisch betrachtet, fehlt mir hier definitiv der Mut zur Veränderung!
Nicht von Seiten der DG bzw von Seiten des Parlamentes, denn wir haben Dekretale Rahmenmöglichkeiten geschaffen. Es sind vielmehr die Verantwortlichen der Primarschulen – und das sind doch größtenteils die Gemeinden sprich die Schulschöffinnen und Schulschöffen, die diesen Mut zur Veränderung aufbringen sollten.
Da eröffnen sich mir unweigerlich 2 Fragen:
Ist man von dem Projekt nicht überzeugt – oder scheut man einfach nur die Umsetzung?
In meinen Augen zwei mehr als berechtigte Fragen, die ich hier aufwerfe.
Eine grundlegendere Analyse würde sich hier anbieten, um herauszufinden, wo denn der Schuh drückt.
Der PFF ist klar und da möchte ich bereits einen Einwand entkräftigen:
Wir sind uns der Lage bewusst, dass man nicht in jeder Schule eine bilinguale Unterrichtsform anbieten kann, aber einen bilingualen Kindergarten gefolgt von einer Bilingualen Grundschule müsste doch eigentlich in jeder Gemeinde mindestens an einem Schulstandort möglich sein? Oder!
Meine Damen und Herren,
Die neuen Zuständigkeiten werden unseren Standort definitiv verändern. Vor 24 Monaten, also vor knapp 2 Jahren, hätte niemand vermutet, dass wir im Frühjahr 2019 die Übertragung der 3 Zuständigkeiten klar machen.
Liberale Politik auf allen Ebenen zahlt sich eben aus.
Mit diesem Satz möchte ich dann auch meine Rede schließen.
Die beiden Kollegen JADIN und MIESEN werde nun zu den weiteren Punkten der Regierungserklärung Stellung beziehen und ich danke Ihnen wie immer für ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
Im Namen der PFF Fraktion,
Gregor FRECHES
Fraktionsvorsitzender