Der zweithöchste Repräsentant des Landes
Kammerpräsident Bracke besuchte Ostbelgien
Am Montag war der Präsident der Belgischen Abgeordnetenkammer, Siegfried Bracke, zu Gast im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft (PDG). Dies sei eine „Weltpremi- ere“, so Parlamentspräsident Alexander Miesen am Abend vor den versammelten Abgeord- neten im Plenarsaal des PDG. Schließlich sei es das erste Mal in der Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft, dass ein Kammerpräsident auf direktem bilateralen Weg zu Gast in Ostbelgien sei.
Besuch des Museums Zwischen Venn und Schneifel
Zuvor hatten die Delegation der Kammer gemeinsam mit einer Delegation des PDG, zu der auch der erste Vizepräsident Robert Nelles zählte, das Museum Zwischen Venn und Schnei- fel in St. Vith besucht. Präsident Bracke zeigte großes Interesse an der Geschichte Ostbe- lgiens und sagte im Anschluss an den Museumsbesuch, er habe, trotz aller Vorbereitungen auf den Besuch, viele neue Dinge über die bewegte Geschichte der Deutschsprachige Ge- meinschaft gelernt.
Besuch des Sozialbetriebs Dabei
Im Anschluss besuchten die Delegationen gemeinsam den Sozialbetrieb Dabei. Die VoG bietet eine bedarfsorientierte Begleitung von Personen mit multiplen Vermittlungshemm- nissen. Präsident Bracke bekannte im Anschluss an den Besuch, mehrfach „tiens, tiens“ gedacht zu haben und lobte die kreativen und flexiblen Ansätze des Sozialbetriebs. In Flandern werde häufig die Größe als Lösung aller Probleme angesehen. Am Beispiel von Dabei sei zu erkennen, dass die Kleinheit und die Nähe zu den Menschen grundlegend für den Erfolg des Betriebes seien.
Austausch mit den Mitgliedern des Ausschusses für institutionelle Angelegenhei- ten
Am Nachmittag traf die Delegation der Kammer in einer gemeinsamen Arbeitssitzung mit den Mitgliedern des Ausschusses I des Parlamentes der Deutschsprachigen Gemeinschaft zusammen, der unter anderem für institutionelle Angelegenheiten zuständig ist.
Präsident Bracke bezeichnete Effizienz und Transparenz als Kernelemente der Autonomie. In diesem Zusammenhang lobte er die Bestrebungen der Deutschsprachige Gemeinschaft, infolge der bisherigen Zuständigkeitsübertragungen stets maßgeschneiderten Konzepte zur Effizienzsteigerung zu suchen.
Hinsichtlich der Forderung des Ausschusses nach einer garantierten Vertretung der Deutschsprachigen Bevölkerung in der Abgeordnetenkammer, äußerte sich der Kammer- präsident zustimmend. Dies setze allerdings eine Staatsreform voraus, was bekanntlich ein schwieriger Prozess sei. Sollte der Zeitpunkt einer 7. Staatsreform gekommen sein, emp- fahl Präsident Bracke der Deutschsprachigen Gemeinschaft ihre Forderung nach Gleichbe- rechtigung, wie schon in der Vergangenheit, mit aller Deutlichkeit zu artikulieren.
In der Frage nach der Zukunft des Senats fordert N-VA-Politiker Bracke dessen Abschaf- fung. Umso erstaunter zeigte er sich darüber, dass eine Mehrheit der Fraktionen im PDG für einen Fortbestand des Senats eintritt, wenn auch in abgeänderter Form.
In Bezug auf die Stellung der Deutschen Sprache in Belgien zeigte Präsident Bracke Ver- ständnis für die Forderungen nach einer konsequenteren Anwendung der Sprachgesetzge- bung. Er wies darauf hin, dass eine von Kattrin Jadin diesbezüglich in der Kammer hinter- legte Resolution bereits verabschiedet worden sei.
Ansprache vor der Plenarversammlung
Bevor der Kammerpräsident den Rückweg nach Brüssel antrat, richtete er sich an die ver- sammelten Abgeordneten im Plenarsaal. In seiner Ansprache berichtete Präsident Bracke von den Eindrücken, die er im Laufe des Tages gewonnen habe. Generell sei der Tag eine intellektuell bereichernde Erfahrung für ihn gewesen. Nach Brüssel und Flandern nehme er mit, dass die Kleinheit der DG kein Nachteil, sondern eine Chance sei, die die Deutschspra- chige Gemeinschaft als solche nutze und dies auch in Zukunft tun werde.
Plenarsitzung vom 25. Juni 2018
Rede des Fraktionsvorsitzenden Gregor FRECHES zum Besuch von S. BRACKE – Präsident der Abgeordnetenkammer Belgiens
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident BRACKE,
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident MIESEN,
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Sehr geehrte Herren Minister,
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
Wir schätzen uns sehr glücklich Sie, sehr geehrter Herr BRACKE, hier im Parlament der kleinsten Gemeinschaft Belgiens auch im Namen der Liberalen Partei PFF begrüßen zu dürfen.
Wir sehen in Ihnen nicht nur den Parlamentspräsidenten der höchsten Abgeordnetenkammer unseres Landes, sondern auch einen Politiker, der es mag seine Meinung zu sagen!
Dies möchte ich anhand eines Zitates von Ihnen aus dem Jahre 2015 untermauern, wo sie in einem Interview der RTBF sagten:
Le président de la Chambre, c’est un politicien avec une opinion.
Il ne faut donc pas espérer que le président de la Chambre soit mort d’une manière politique ».
Eine starke Aussage, wie ich finde.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Sie, werter Herr BRACKE, stehen einem Parlament vor, indem auch eine deutschsprachige Abgeordnete ihrer politischen Pflicht für die DG nachkommt.
Die Kollegin Kattrin JADIN ist seit Jahren das Sprachrohr für die Belange der DG, sobald es sich um föderale Materien handelt.
Akten mit übergreifendem Charakter, die immer wieder aufzeigen, ja, dass der Föderalstaat doch noch Zuständigkeiten ausübt, die auch unser tägliches Leben beeinflussen.
Vieles wurde den Regionen und Gemeinschaften übertragen, aber doch nicht alles.
Jüngstes Beispiel um nur eines aufzuzählen wäre die Akte um den Bau der gemeinsamen Polizeidienststelle, die sowohl die föderale Polizei als auch die Lokale Zone beheimaten soll.
Durch die Umsetzung der 6. Staatsreform hat auch die DG weitere Zuständigkeiten erhalten, und weitere werden in nächster Zeit dazukommen.
Der Erhalt der Zuständigkeiten ist eine Sache, die Umsetzung dagegen eine andere.
Dies zeigt sich natürlich, umso komplexer die Kompetenzen sind.
Da die aktuelle Mehrheit im föderalen Parlament ganz zu Beginn ihrer Arbeit beschlossen hat, institutionelle Fragen in dieser Legislaturperiode auszuklammern, wird die Zukunft nach 2019 aufzeigen, wann und wie dieser Punkt wieder an Aktualität gewinnen kann.
Die Koalition im ihrem Hause legte -völlig zu Recht- die Prioritäten auf eine politische Stabilisierung des Landes, sowie auf eine wirtschaftlich und sozialorientierte Politik aus.
Sie werter Herr Präsident BRACKE sind ein Mann des Dialogs, dass haben Sie bereits zu Beginn ihres Amtes bewiesen.
Als es in den ersten Wochen immer wieder zu tumultartigen Szenen in ihrem Parlament kam, haben sie es geschafft die Streithähne zu beruhigen, damit zwar politisch gestritten werden konnte, aber vor allen Dingen, damit sich auch politisch engagiert werden konnte.
Heute haben Sie OSTBELGIEN besucht, etwas was viele von ihren flämischen Mitbürgern regelmässig tun.
Sie finden ein OSTBELGIEN vor, welches eingebettet in einer Grenzregion, ein Brückenpfeiler zwischen Belgien und DEUTSCHLAND sein kann.
Einer Funktion, die die weitere Zusammenarbeit zwischen einem Exportland wie Belgien und einer Wirtschaftskraft wie Deutschland helfen könnte auszubauen bzw zu vertiefen.
Wir hoffen daher sehr, dass es nicht ihr letzter Besuch in ihrer Funktion als Parlamentspräsident sein wird und hoffen, dass sie uns in guter Erinnerung erhalten werden.
Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit,
Im Namen der PFF Fraktion im PDG,
Gregor Freches
Fraktionsvorsitzender