Am 26. Juni wandte sich unser PFF-Mandatar Alexander MIESEN an den Präsidenten des Parlamentes der Deutschsprachigen Gemeinschaft sowie seine Kolleginnen und Kollegen und bezog Stellung zur derzeitigen heiß diskutierten Debatte rund um das Wahlsystem, die Wahlresultate usw. Im Folgenden sein Redebeitrag.
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
bevor ich in meine eigentliche Argumentation einsteige möchte ich die aktuelle Debatte nochmals kurz in den Gesamtkontext einordnen.
Seit dem 25. Mai befinden wir uns in einer nie dagewesenen Situation. Es fing damit an, dass die Wahlresultate, aufgrund technischer Probleme mit der automatisierten Wahl, nicht nur zeitlich verzögert, sondern auch nur scheibchenweise publiziert werden konnten. Die Wahlhelfer und Zeugen in den Zählbüros, die Journalisten, die Kandidaten sowie jeder einzelne Wähler wurden auf die Folter gespannt. Dass am Montag, dem 26. Mai, für die meisten wieder Alltag herrschen würde, davon sind wir alle ausgegangen, doch weit gefehlt! Von so manchem wurde Einiges abverlangt, nicht wenige haben Termine umplanen müssen und nicht selten kursierten sagenumwobene Gerüchte rund um die Wahlpanne und ihrer Auswirkungen. Es waren für viele Menschen sehr schwere, arbeitsintensive und nicht selten auch ungewisse Stunden und Tage. Daher nutze ich die Gelegenheit, mich von dieser Stelle aus vor allem bei den vielen Helferinnen und Helfern in den Wahlbüros zu bedanken, die über diese lange Zeit ihrer Bürgerpflicht auf hervorragende Weise nachgekommen sind.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
im Nachgang zu den Vorgängen vom 25., 26. und 27. Mai und im Vorfeld zu der für den 17. Juni vorgesehenen ersten Plenarsitzung des PDG nach den Gemeinschaftswahlen haben sich alle sechs Fraktionen darauf verständigt, die Vorgänge im zuständigen Wahlprüfungsausschuss gründlich zu untersuchen und sich dazu Zeit zu nehmen. Wir sind damit in Belgien das einzige Parlament, welches sich zu einer gründlichen Aufklärung entschlossen hat. Dazu gab es Gründe genug: zum Einen sind alle sechs Fraktionen, alle Kandidaten und jeder Wähler Opfer dieser Wahlpanne. Die Situation wie wir sie in den Tagen nach dem 25. Mai gekannt haben, muss jeden Demokraten auf den Plan rufen. Zum Zweiten muss der Bürger, der mit seiner Stimmabgabe seine Souveränität an uns Politiker abgetreten hat, sich auf sein Parlament, auf seine Volksvertretung verlassen können. Dies will heißen, dass wir es als unsere Pflicht sehen müssen, die Dinge aufzuklären. Zum Dritten war auch der chaotische Umgang mit der Situation in Namur Auslöser dafür, die Dinge in der DG in geordneten Bahnen anzugehen.
Diese Arbeit ist in den vergangenen neun Tagen geschehen. Dabei haben wir die Gültigkeitsprüfung zur tagespolitischen Priorität des PDG gemacht und eine Reihe von Beratungen und Anhörungen durchgeführt, wie es dieses Parlament bereits mehrfach und erfolgreich getan hat. Ich erinnere an die Anhörungen zum Fiskalpakt oder zur Staatsreform. Es war eine intensive und seriöse Aufklärungsarbeit, an der alle sechs Mitglieder des Ausschusses und nicht zuletzt auch unsere Verwaltung mitgewirkt haben. Herzlichen Dank vor allem an Herrn Thomas und Frau Modard für ihre fachmännische Unterstützung. Einen Dank möchte ich aber auch an den Alterspräsidenten und Vorsitzenden des Wahlprüfungsausschusses, Herrn Siquet richten, für seine offene, aber dennoch zielstrebige Weise die Arbeiten des Ausschusses zu lenken.
Nun aber zum eigentlichen Inhalt der Arbeiten und unsere Schlussfolgerungen. Unser Auftrag in diesem Wahlprüfungsausschuss war A-ein doppelter: Prüfung der Wahlmandate (erfüllen die Kandidaten die Wählbarkeitsbedingungen?) und Prüfung der Gültigkeit der Wahlen. Und er ist B-präzise formuliert: es geht um die Wahlen vom 25. Mai zum Parlament der DG. Es geht nicht um die Prüfung der anderen Wahlen, es geht nicht um eine Be- oder Verurteilung der automatisierten Wahl im Allgemeinen oder der Vorgänge im Wahlkampf, wie etwa der Ausladung der Partei Libertarien zu der Podiumsdiskussion im Triangel, und es geht schon garnicht um Entscheidungen in Bezug auf zukünftige Urnengänge. Es geht einzig und alleine um die Prüfung der Gültigkeitserklärung des Resultats der Wahlen vom 25. Mai 2014 zum Parlament der DG sowie der Entscheidung zu den eingereichten Klagen. Aus dem Ausschussbericht können sie entnehmen, dass der Ausschuss in einer Reihe von Klageelementen einstimmige Schlussfolgerungen zieht. Auf diese Elemente werde ich nicht mehr eingehen. Zwei Fragen hat dieses Plenum nun noch zu entscheiden.
- Macht es Sinn eine Neuauszählung jeder einzelnen Magnetkarte vorzunehmen? Die Antwortet lautet NEIN
- In den Beratungen des Ausschusses wurde deutlich, dass es bereits eine Neuauszählung gegeben hat! Jede einzelne Urne ist nachgezählt worden und zwar anhand der Diskette, die diese Urne beinhaltet. Das Interessante dabei ist, dass auf dieser Diskette nicht nur das Gesamtergebnis der Urne gespeichert ist, sondern auch jede einzelne Stimmabgabe mit dem jeweiligen Stimmverhalten des Wählers. Zudem ist diese Neuauszählung nicht von irgendjemandem durchgeführt worden, sondern von den Mitgliedern des unabhängigen Expertenkollegiums, in das auch unser Parlament Vertreter entsandt hat. Es handelt sich also um unsere vertrauenswürdigen Leute. Und diese haben uns im Ausschuss bestätigt, dass ihre Nachzählung anhand der einzelnen Stimmabgaben das gleiche Resultat erbringt wie das vom Innenministerium errechnete.
- Ausnahmslos alle Techniker und Spezialisten, sei es von der Firma Stésud, vom Innenministerium, vom unabhängigen Expertenkollegium und sogar von der kritischen Organisation pourEVA haben auf die präzise Nachfrage, ob eine Neuauszählung jeder einzelnen Magnetkarte technisch einen Sinn macht deutlich mit NEIN geantwortet. Es käme das gleiche Resultat zum Vorschein wie das, was wir kennen.
- Neben den Vertretern des Innenministeriums und der Firma Stésud, haben uns auch die Vertreter des unabhängigen Expertenkollegiums bestätigt, dass nicht anzunehmen ist, dass es neben den Problemen mit den 20 Stimmkarten noch weitere technische Probleme gegeben haben könnte, die das Resultat verfälschen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass das Problem über die 20 Karten hinaus geht. Eigentlich spreche es sogar für das System selbst, dass es, als es eine Inkohärenz feststellte, blockiert habe. Wir können also davon ausgehen, dass das Problem auf die 20 Karten eingegrenzt werden kann und diese 20 Karten können wir auszählen solange wir wollen, die Information darauf werden wir nie zurückfinden können.
FAZIT: Es hat eine Neuauszählung gegeben. Es wurde bestätigt, dass eine weitere Neuauszählung technisch keinen Sinn macht. Und das Problem lässt sich auf 20 definitiv verlorene Karten reduzieren. Daher, ist es völlig unsinnig, hier und heute einen Beschluss zu fassen, der eine Neuauszählung vorsieht. Dem Wähler vorzugaukeln, dass eine Neuauszählung irgendein technisches Problem lösen könnte oder selbst irgendeinen der juristischen oder anderen Bedenken aus der Welt schaffen würde, ist nichts anderes als ein politisches Täuschungsmanöver dem Wähler gegenüber. Und so etwas ist mit der PFF nicht zu machen.
Das Argument, dass man mit einer Neuauszählung irgendein Zeichen an die Bevölkerung schicken würde, oder man es mit einer Neuauszählung schaffen könnte Wählervertrauen wieder zu gewinnen kann ich vor dem eben genannten Hintergrund der Unsinnigkeit nicht gelten lassen. Da müssen wir uns schon etwas anderes einfallen lassen. Und deswegen haben wir vorgeschlagen, einen Ausschuss im PDG einzurichten, der sich damit beschäftigt und Vorschläge formuliert, damit eine solche Panne nie wieder passiert.
- Können wir die Wahl vom 25. Mai für gültig erklären?
Jedes der sechs Mitglieder im Ausschuss hat sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Ich selbst bin zu dem Schluss gekommen, dass die Antwort JA heißt. Bevor ich in meine Argumentation einsteige, möchte nochmals deutlich hervorheben, dass eine Nichtgültigkeitserklärung gleichbedeutend ist mit Neuwahlen. Anders gesagt, wer gegen die Gültigkeitserklärung ist, der ist automatisch für Neuwahlen, dazwischen passt kein Blatt.
- Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der aufgetretene Fehler bei der Stimmenauszählung wissentlich in das Programm einprogrammiert wurde, dass irgendjemand bewusst versucht hat, die Wahlen zu manipulieren oder dass es andere Probleme gegeben hat, die einen Einfluss auf das Resultat haben. Das gesamte Problem beschränkt sich wie eingangs erwähnt für unser Parlament auf 20 Stimmen, die unwiederbringlich verloren sind. Der ein oder andere rechtliche Aspekt in dieser Angelegenheit ist Auslegungssache. Tatsache ist aber, dass die eine Sitzverschiebung, die zwischen der CSP und Vivant in der Theorie zwar möglich ist, in der Praxis aber ausgeschlossen werden kann. Von diesen Karten können aus technischem Grund, (die Erklärungen stehen im Bericht) nur maximal 14 Stimmen auf Vivant entfallen sein. Die Wahrscheinlichkeit einer Sitzverschiebung hängt also nicht an 20, sondern nur an 14 Karten, sie sinkt also nochmals, so dass sie bei 1:48 Mrd liegt(!). Sie tendiert gen Null.
Hinzu kommt, dass zwar 20 Karten nicht berücksichtigt werden konnten, alle anderen Karten aber fehlerfrei abgelesen und ausgewertet wurden, wie auch das unabhängige Expertenkollegium aufgrund ihrer Kontrollarbeit ausdrücklich bestätigte. Es wurden 99,95% des Wählerwillens korrekt wiedergegeben oder anders gesagt, 99,95% der Wähler, deren Stimme korrekt gezählt wurde, würden im Falle einer Neuwahl dazu verpflichtet, obwohl ihre Stimme korrekt gewertet wurde, erneut zu den Urnen zu schreiten, weil 0,05% der Stimmen nicht gelesen werden konnten. Bei einer Papierwahl ist die Fehlerquote bedeutend höher (was die Panne nicht entschuldigt!), in dem Fall kann auch eine Neuauszählung Sinn machen, wie es Frau Möres schon erwähnte. Wie dem auch sei, vor den genannten Hintergründen eine Forderung nach Neuwahlen zu formulieren ist völlig unverhältnismäßig.
- Wir befinden uns derzeit in der Situation, eine geschäftsführende Regierung zu haben, ohne jegliche demokratische parlamentarische Kontrolle. Und dies aus dem einfachen Grund, da das Parlament noch nicht konstituiert ist. Zudem führt die Situation dazu, dass unsere Gemeinschaft nicht handlungsfähig ist. Wir brauchen aber dringend eine handlungsfähige DG. Es müssen Haushalte erstellt sowie Entscheidungen getroffen werden. Und diese müssen vom einem starken Parlament überprüft, kontrolliert werden. Das sind wir dem Bürger schuldig, dafür ist er wählen gegangen, dazu haben wir eine Verantwortung. Nicht zuletzt kommt noch hinzu, dass ab 1. Juli die 6. Staatsreform in Kraft tritt und wir zusätzliche Zuständigkeiten erhalten. Umso größer ist also unsere Verantwortung, die Gemeinschaft handlungsfähig zu machen. Eine Neuwahl ist das Gegenteil, sie würde die DG in ein bis dato noch nie gekanntes Chaos stürzen. Die Forderung nach einer Neuwahl ist unverantwortlich.
- Es kommt erschwerend noch hinzu, dass im Falle einer Neuwahl, wir rechtlich dazu verpflichtet wären, mit genau denselben Computern und genau denselben Informatiksystemen zu wählen wie am 25. Mai. Und das kann man nun wirklich keinem Bürger mehr erklären! Mit diesen Geräten dürfen in der DG nie wieder Wahlen abgehalten werden!
- Ich bin zutiefst überzeugt: eine Neuwahl vor den genannten Hintergründen würde weitaus mehr und bedeutend tiefergehende Kollateralschäden im Wählervertrauen und in unserer Demokratie verursachen als das, was am 25. Mai geschehen ist. Daher plädiere ich auch an dieser Stelle nochmals dafür, dass wir uns in einem Folgeausschuss – nach der heutigen Konstituierung – intensiv damit beschäftigen, welche Empfehlungen wir im Hinblick auf zukünftige Wahlen an diejenigen richten, die am 25. Mai die Panne verursacht haben. So etwas darf nämlich nicht wieder geschehen.
Schlussfolgernd möchte ich sagen: Neuauszählung NEIN, weil unsinnig, Neuwahlen NEIN, weil unverhältnismäßig und unverantwortlich.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
Alexander Miesen