Sitzungsperiode 2021-2022
Sitzung des Ausschusses II vom 7. Juni 2022
Interpellation von Gregor FRECHES (PFF) an Ministerin WEYKMANS zur
Förderung der Medienkompetenzen
In einer sich schnell verändernden Welt wird von den Bürgern zunehmend verlangt, dass sie lernen, mit neuen Technologien umzugehen.
Auch die Anforderungen an den Arbeitsmarkt entwickeln sich mit diesem technologischen Fortschritt!
Vor diesem Hintergrund ist es für jeden Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung, diese anderen modifizierten Technologien so gut wie möglich beherrschen zu können.
Denn heutzutage – das stelle ich einmal so in den Raum – sind digitale Kompetenzen genauso wichtig wie Lesen und Schreiben.
Laut der Europäischen Kommission weisen fast 45 % der Europäer Defizite im Bereich der digitalen Kompetenzen auf, und mehr als die Hälfte – 52 % der europäischen Arbeitnehmer müssen neu qualifiziert werden1.
Investitionen in die digitalen Kompetenzen und die Weiterbildung der Menschen sind daher von größter Bedeutung, unabhängig davon, ob sie Studenten, Arbeitnehmer, Arbeitssuchende, Selbstständige, Lehrer, Rentner usw. sind.
Es geht nicht unbedingt darum, sich erneut in ein langes Studium einzuarbeiten, sondern vielmehr darum, sich mit der Welt im Wandel zu befassen.
Es ist vor allem wichtig, bereit zu sein, sich mit der digitalen Weiterbildung anzufreunden und sich den richtigen Umgang mit den neuen Technologien anzueignen.
Vor diesem Hintergrund heißt es sich faktisch mit folgender Frage auseinanderzusetzen:
Was versteht man eigentlich unter dem Begriff der Medienkompetenz?
Digitale Kompetenzen umfassen alle Fähigkeiten, die mit der Nutzung von digitalen Geräten, Kommunikationsanwendungen und Online-Netzwerken sowie mit dem Umgang mit digitalisierten Informationen verbunden sind.
Diese Kompetenzen begrenzen sich nicht nur darauf digitale Inhalte zu produzieren und zu teilen, sondern vielmehr in einer digitalen Welt zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten.
Warum sind diese Medienkompetenzen aktuell so wichtig – Werte Kolleginnen und Kollegen?
Heute werden sie, ebenso wie Lesen und Schreiben, als Teil des Alphabetisierungsprozesses betrachtet.
Die Digitalisierung ist nicht nur mit dem IKT-Sektor (Informations- und Kommunikationstechnologie) verbunden.
In einer ultravernetzten Welt, in der Daten jederzeit für jeden zugänglich sind, sollte man sich nicht mehr auf einige wenige Fähigkeiten in einem bestimmten Sektor beschränken.
Die allgegenwärtige digitale Technologie verändert die Funktionsweise der Gesellschaft, eröffnet eine Reihe neuer Möglichkeiten und zwingt Branchen und Arbeitnehmer dazu, sich neu zu erfinden und zu diversifizieren.
Berufe verändern sich, und zwar in allen Fächern und Jobs.
Sie werden nicht mehr auf die gleiche Art und Weise ausgeübt.
Wo ein Anwalt derzeit noch Zeit damit verbringen muss, Verträge aufzusetzen, wird in naher Zukunft alles digitalisiert sein und von einer Datenbank ausgehen.
Er wird jedoch – und das wird der Unterschied sein – die digitalen Werkzeuge zur Datenanalyse, die eingeführt werden, beherrschen müssen.
Die Covid-19-Pandemie hat unweigerlich zu tiefgründigen Veränderungen in der Arbeitswelt geführt.
Homeoffice und digitale Tools haben sich in der Pandemie als Norm durchgesetzt, ohne dass viele der Arbeitnehmer dazu bereit oder gar darauf vorbereitet waren.
In ihrer Europäischen Qualifikationsstrategie und ihrem Aktionsplan für digitale Bildung hat die Europäische Kommission Ziele festgelegt, um sicherzustellen, dass 70 % der Erwachsenen ab 2025 über digitale Grundkenntnisse verfügen.
Diese Initiativen zielen darauf ab, bis 2030 die Zahl der 13- bis 14-Jährigen zu senken, die geringere Leistungen im Bereich Computerkenntnisse und digitale Kompetenz aufweisen2.
Das Europäische Parlament hat Anfang 2022 einen Bericht veröffentlicht, in dem es eine Reihe von Empfehlungen formuliert, unter anderem zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Union durch Situationsbewusstsein, Medienkompetenz und Bildung im Allgemeinen.
Laut Bart Steukers, CEO von Agoria, dem belgischen Verband der Technologieindustrie,
„wird es bis 2030 541.000 Arbeitsplätze geben, die wir nicht besetzen können, wenn wir die Talente weiterhin so verwalten, wie wir es heute tun“3.
Im selben Artikel liest man dann weiter:
Der steigenden Nachfrage nach digitalen Kompetenzen in der heutigen Gesellschaft gerecht zu werden, bleibt eine echte Herausforderung. « Es gibt noch viel zu tun », kommentiert Saskia Van Uffelen, Digital Champion für Belgien.
« Die Regierung möchte, dass bis 2030 acht von zehn Menschen einen Arbeitsplatz haben. Heute bewegen wir uns im Durchschnitt um die 70%, aber für einige Regionen und Kategorien sind die Ergebnisse weniger gut.
Beispielsweise liegt der Anteil der Mädchen und Frauen mit den richtigen Fähigkeiten für die digitale Welt nur bei 66 % ».
Werte Kolleginnen und Kollegen,
In Ostbelgien haben wir seit 1992 das Medienzentrum in Eupen.
Das Medienzentrum ist neben Verleihstelle von Medien und Veranstaltungsmaterial das ostbelgische Zentrum für Medienkompetenz.
Eine ganze Reihe von Aktivitäten und Partnerschaften mit Bibliotheken, Schulen, Jugendorganisationen u.v.m. haben das Ziel, die Medienkompetenz der ostbelgischen Bevölkerung zu steigern, von der Leseförderung bis hin zur Realisierung eigener Filmprojekte.
Zum Medienzentrum gehört auch die „Medienagentur“, die Informationen rund um das Thema „Medien“ sammelt, sich mit Medienfachleuten im In- und Ausland vernetzt und bei der Umsetzung von Medienprojekten aller Art behilflich ist4.
Ende März wurde ein weiteres Projekt in Ostbelgien ins Leben gerufen: die Digital Botschafter*innen5.
Ein Thema, welches wir bereits hier im Ausschuss angerissen haben.
Digital-Botschafter sind Ehrenamtliche, die Seniorinnen und Senioren auf ihrem Weg in die digitale Welt begleiten.
Das Ziel: ältere Menschen digital und dadurch auch sozial am Leben teilhaben zu lassen. Dabei geht es sowohl um Kommunikation als auch um Daseinsvorsorge – mit den Enkeln chatten, online einkaufen und sich vernetzen.
Heutzutage gehören die Informations- und Medienkompetenz zu den Grundfähigkeiten, deren Erwerb eine Voraussetzung für den späteren schulischen und beruflichen Erfolg der Schülerinnen und Schüler, aber auch für ein selbstbestimmtes und verantwortungsbewusstes lebenslanges Lernen darstellt.
Nun meine Fragen an Sie, werte Frau Ministerin:
- Kann der Prozentsatz unserer Bürgerinnen und Bürger ermittelt werden, die noch nicht über die nötigen digitalen Kompetenzen verfügen?
- Wie lauten die Rückmeldungen seitens der Unternehmer: wie zufrieden sind sie mit den digitalen Kenntnissen ihrer Arbeitnehmer?
- Halten Sie die Ziele des Aktionsplans für digitale Bildung der Europäischen Kommission für erreichbar?
- Können Sie uns ein erstes Update bezüglich des Projekts Digital-Botschafter geben?
- Sind weitere Förderprojekte im Bereich der digitalen Kompetenzen geplant?
- Was halten Sie von der Einführung eines „Medienpasses“, der a. eine Dokumentation der erworbenen Medienkompetenzen beinhalten könnte?
- Wie können wir es schaffen, mehr „Medienkompetenzgerechtigkeit“ in der ostbelgischen Bevölkerung aufzubauen, ohne dass jemand auf der Strecke bleibt – ähnlich wie wir uns in Fragen der Bildungsgerechtigkeit mit Lösungen beschäftigen?
- Wie können wir es schaffen Arbeitssuchende im Rahmen von Aus-und Weiterbildungsprogrammen an die Medienkompetenz heranzuführen?
Antwort der Ministerin:
Sehr geehrter Herr Freches,
allein die von Ihnen gestellten Fragen sowie die in Ihrer Einleitung angerissenen Chancen und Herausforderungen zeigen die Wichtigkeit, aber auch die Komplexität dieses Themas.
Ich kann in meiner kurzen Redezeit nur schwer alle Initiativen, Projekte und Planungen vorstellen. Das Thema verdient sicherlich an anderer Stelle vertieft diskutiert zu werden. Es wird uns sicherlich als Metathema in allen Ausschüssen und Sitzungen begleiten. Ich möchte Ihnen aber versichern, dass meine Kollegen und ich das Thema Digitalisierung und Medienkompetenzvermittlung als zentrales Thema bei allen Entscheidungen im Blick haben.
Erlauben Sie mir, zur Einordnung des Themas Medienkompetenzvermittlung in Erinnerung zu rufen, dass diese weit über die bloße Anwendungskompetenz hinausgeht. Es geht immer auch um Medienkunde, Mediengestaltung und nicht zuletzt um Medienkritik. Es geht darum, globale Zusammenhänge und Verbreitungswege zu verstehen. Es geht um das Erstellen und Verbreiten von eigenen oder fremden Inhalten. Medienkompetenz ist untrennbar mit dem Thema Digitalität verbunden. In einer zunehmend digitalen Welt mit Kryptowährungen, Metawelten, Fake News und Künstlicher Intelligenz braucht man mehr denn je Medienkompetenz, um nicht abgehängt zu werden. Wir wissen heute nicht, welche digitalen Entwicklungen morgen unser Leben revolutionieren werden.
Ohne Zweifel: In vielen Bereichen hat sich unser Leben durch die zunehmende Digitalität verbessert und vereinfacht. Fakt ist aber auch, dass Jeder versuchen muss, mit diesen rasanten Entwicklungen Schritt zu halten. Dabei müssen deshalb abgestimmte, flächendeckende und kostengünstige Bildungsangebote bestehen, die die Menschen dort abholen, wo sie stehen.
Wie Sie richtig erwähnten, hat in Ostbelgien das Medienzentrum schon immer neue Trends aufgegriffen und verbreitet, hat mit anderen Institutionen kooperiert und best practice nach Ostbelgien gebracht. Vor allem aber wurde dort versucht „das große Ganze“ im Auge zu behalten. Es wäre jedoch unrealistisch, gar vermessen, die Medienkompetenzaktivitäten der letzten Jahre allein auf das Medienzentrum zu reduzieren. Vielerorts gab und gibt es
Investitionen, Initiativen und Konzepte: Der digitale Jugendstrategieplan, die Schulmediotheken, die Fachgruppe Medienkompetenz an der AHS, die beispielsweise aktuell Making und Coding in die Lehrpläne integriert, sind nur einige Beispiele. Hinzu kommen Kurse aus der Erwachsenenbildung, Initiativen von Kaleido, Aktionen des Instituts für Demokratiepädagogik oder ein in der Planung befindliches Projekt zur Digitalqualifizierung vom Arbeitsamt. Seit kurzem gibt es in der DG auch erste Digitale Dörfer und auch unsere Vereinswelt erhält künftig digitale Unterstützung.
Da Sie explizit nach den Digitalbotschaftern fragten, kann ich ihnen mitteilen, dass das Projekt sehr gut gestartet ist. Ganz aktuell haben schon 14 Teilnehmer aus allen Gebieten Ostbelgiens die Kurse des Medienzentrums durchlaufen und sind qualifiziert. Auch erste Anfragen zu Unterstützungsbedarf sind eingetroffen. Beispielhaft kann hier die Anfrage des Sankt Josefsheim in Eupen genannt werden, wo in Kürze Digitalbotschafter regelmäßig zum Bsp. beim Skypen helfen. In Kürze stehen für die Digitalbotschafter weitere Qualifizierungsangebote an, zum Beispiel zum Thema E-Health und elektronische Patientenakte. Nach dem Sommer werden weitere Digitalbotschafter geschult. Es gibt bereits mehrere Anfragen neu in das Projekt einzusteigen. Ebenfalls gibt es gute Kontakte bspw. nach Amel zum Dorfhaus oder zur Gemeinde Bütgenbach und deren Senioreninitiativen. Alle Digitalbotschafter sind auf der digitalen Landkarte zu finden, die wir gemeinsam mit den Projektpartnern aus Rheinlandpfalz betreiben. Hier können sich Suchende und Digitalbotschafter selbständig vernetzen. Selbstverständlich können Anfragen aber auch live im Medienzentrum oder per Telefon gestellt werden.
Last but not least gibt es das große Projekt des Glasfaserausbaus für die gesamte Deutschsprachige Gemeinschaft – Dieses Projekt ist quasi das Rückgrat für alle weiteren, digitalen Entwicklungen.
Die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig. Es ist eine lose Aufzählung, die zeigt, dass schon viel passiert. Sie zeigt aber auch, dass dringend ein sogenannter Roter Faden benötigt wird. Dies gilt vor allem für das komplexe Thema der Digitalisierung, von dem die Medienkompetenzvermittlung nur ein Teil sein kann.
Am 9.März 2021 präsentierte die Europäische Kommission den digitalen Kompass – eine Zielvorstellung und Wege für den digitalen Wandel in Europa bis 2030. Dieser Kompass hat vier Achsen: Skills – Government- Infrastruktur und Business. Hinzu kommen unzählige Strategien von Ländern, Städten und Gemeinden mit noch mehr best practice Beispielen. Aus diesen bestehenden Konzepten sind wir dabei, unseren eigenen Weg zu definieren, – ein Digitalkonzept für Ostbelgien. Es soll sogenannte Leuchttürme definieren, Lücken erkennen, Problemlösungen aufzeigen und – wer weiß? – vielleicht sogar Vorzeigeprojekte initiieren, die durch unsere Autonomie und unser flächendeckendes Glasfasernetz erst möglich werden.
Es wird ebenfalls wichtig werden, über messbare Kennzahlen zum Digitalisierungsgrad in der DG zu verfügen. Im Moment müssen wir uns da an den großen europäischen oder belgischen Erhebungen orientieren. Ein Beispiel hierfür ist die Studie der König Baudouin Stiftung, die vor allem auf den Einfluss des Bildungs- und Einkommensniveaus in Zusammenhang mit der Nutzung essentieller digitaler Dienste eingeht. So stellt sie beispielsweise fest, dass 17% der Internetsurfer in Belgien das Web nur in sehr eingeschränktem Maße nutzen. Bei einkommensschwachen Personen steigt diese Zahl auf
31%. Bei älteren Mitmenschen liegt sie bei 28% und bei Personen mit geringem Bildungsstand bei 26%. Auch wenn diese Zahlen nicht spezifisch auf die Deutschsprachige Gemeinschaft heruntergebrochen sind, setzen wir bei dieser Herausforderung bereits mit unserem bereits erwähnten Projekt der Digitalbotschafter richtig an.
Ebenfalls wurde im REK festgehalten, eine Koordinierungsstelle Digitalisierung im Ministerium anzusiedeln. Diese Koordinierungsstelle soll für die Digitalisierung- ähnlich wie das Medienzentrum in Sachen Medienkompetenz -funktionieren, sprich die Gesamtentwicklungen im Auge halten und für Fragen zum Thema Digitalisierung eine erste Orientierung bieten. Diese Koordinierungsstelle ist eingerichtet. Dort wird auch die Digitalstrategie ausgearbeitet.
Ob die EU oder die DG die Ziele bis 2030 erreichen wird, kann ich nicht vorhersagen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass die jetzige Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft alles dafür tun wird, damit das Thema Digitalisierung ganz oben auch auf unserer Agenda bleibt- und zwar für alle Bereiche. Beispielhaft habe ich bereits in meiner Einführung erwähnt, wo und wie wir bereits Hebel ansetzen. Gerne halten wir Sie über weitere Aktivitäten und Fortschritte auf dem Laufenden.
Ich hoffe, Ihnen schon bald mehr über dieses Digitalkonzept berichten zu können, aber lassen Sie mich eins versichern. DIE zentrale Botschaft dieses Konzeptes wird immer lauten: Die digitale Zukunft ist menschlich! Nur, wenn der Mensch im Mittelpunkt aller digitalen Bestrebungen steht, wird die Digitalisierung erfolgreich sein. Bei allen Überlegungen muss nicht um der Technik Willen digitalisiert werden. Digitalisierungsmaßnahmen werden immer nur dann greifen, wenn am Ende eine Erleichterung, ein Mehrwert für den Menschen zu erkennen ist.
Lassen sie mich dies als Abschluss meiner Ausführungen mit einem eingängigen Beispiel verdeutlichen. Spontan, möchte sicher niemand von uns im Alter von einem Roboter gepflegt werden, oder? Aber was tun, wenn es immer weniger Fachkräfte gibt? Schon heute können Roboter die oft harte, körperliche Arbeit in der Pflege sinnvoll unterstützen. Es darf aber nie so weit kommen, dass im Pflegesektor Menschen aus wirtschaftlichen Gründen durch Roboter ersetzt werden. Nur wenn eine Entlastung des Personals im Mittelpunkt steht, machen diese Überlegungen Sinn. Und das auch nur dann, wenn die Pflegekräfte durch den digitalen Helfer Zeit für zwischenmenschliche Zuwendung gewinnen. Eine Kompetenz, die keine KI dieser Welt erfüllen kann.