Montag, den 7. Dezember 2020
Rede zu den Haushaltsdebatten von unserem Fraktionsvorsitzenden Gregor FRECHES zum Thema FINANZEN
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident,
Sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Die diesjährigen Haushaltsdebatten 2020 stellen ein wahrhaftiges Spiegelbild der aktuellen Situation unserer Gemeinschaft dar:
Auf der einen Seite trumpft der aktuelle Haushaltsentwurf der Mehrheitsfraktionen durch die wohlbekannte Kontinuität in den politischen Entscheidungen auf, sticht aber auf der anderen Seite durch zielgerichtete Maßnahmen, die versuchen die Ausmaße der Pandemiekrise so gut wie möglich für OSTBELGIEN einzudämmen, hervor.
Wirtschaft, Gesundheits- oder Bildungssektor – viele Gesellschaftsbereiche stehen durch die seit Beginn des Jahres herrschende Corona-Pandemie auf dem Prüfstand.
Lösungen zur Abfederung der Folgen der Krise müssen und mussten in den Parlamenten neu ausgehandelt werden, so auch im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft.
Die ökonomische Lage ist weiterhin mehr als angespannt, denn niemand wagt sich an langfristige Prognosen heran.
Wurde noch während der ersten Lockdownphase ein Grossteil der Wirtschaft komplett ausgebremst, so versucht man während der zweiten Welle mit allen Mitteln die großen Kreisläufe am Laufen zu halten.
Eine Vollbremsung wie im Frühjahr, eine teilweise Erholung während den Sommermonaten, aber vor allen Dingen, die noch nicht ermessbaren Auswirkungen der aktuellen 2. Welle werden erhebliche negative Folgen auf die weltweiten Wirtschaftsparameter mit sich führen.
Davon wird auch Belgien nicht verschont bleiben.
Bereits im letzten Jahr – also zum Zeitpunkt der Haushaltsdebatten im Dezember 2019 – war ein Abkühlen der Konjunkturparameter zu verspüren.
Weltweit sanken die Prognosen für 2020 und bereits damals war von Optimismus wenig zu spüren.
Viele Fragen zeichneten sich am weiten Horizont der Weltpolitik ab:
- Brexit ? Wie verlaufen die Verhandlungen weiter?
- Welche Wirtschaftsabkommen werden weltweit ausgehandelt oder zum Abschluss kommen?
- Wer wird oder bleibt amerikanischer Präsident?
- Die Klimadebatten und welche Auswirkungen werden sie auf die globale Gesellschaft haben?
- Was ist mit dem Energiewandel?
- Wie entwickelt sich die Flüchtlingskrise weiter?
Fragen, die teilweise heute (auch ohne die Corona Pandemie) noch nach ihren Antworten suchen.
Trotz allem konnte die Mehrheit aus ProDG, SP und PFF Ende des Jahres 2019 einen ausgeglichenen Haushaltsentwurf präsentieren – dies nur zur Untermauerung meiner Aussage zur Kontinuität des politischen Handelns.
Als einziger Teilstaat Belgiens war dieser Regierung das Kunststück gelungen, den finanzpolitischen Weg, den wir bereits 2018 eingeschlagen hatten, zu wiederholen.
Keine Defizite und keine neue Verschuldung – so 2019.
Der Haushalt 2019 litt bereits – ich erwähnte es – unter einer schwächelnden Konjunktur und verzeichnete daher enorme Mindereinnahmen in Millionenhöhe.
Bereits damals – Ende Dezember 2019 – entschieden wir uns – die Mitglieder dieser Koalition –, für ein Weiterführen des eingeschlagenen Politikkurs der die Regionale Entwicklung unserer Heimat – unseres OSTBELGIENS – klar in den Mittelpunkt stellen sollte.
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Meine Damen und Herren,
2020 wird für immer und ewig als ein historisches Jahr in die Geschichtsbücher eingehen – auch im Sinne der haushaltspolitischen Entscheidungen.
Enorme Finanzmittel mussten von allen verantwortlichen Regierungen in kürzester Zeit mobilisiert werden, um die gesamte Gesellschaft zu stützen – um sie vor einem drohenden Kollaps zu bewahren.
Föderale und Regionale Beihilfen wurden rasch auf den Weg gebracht.
Der Belgische Staat insgesamt nahm sich seiner Sorgfaltspflicht an.
Auch die Regierung der DG blieb nicht tatenlos und sie handelte:
Wurden doch bis heute etwa 39 Millionen € in die Hände genommen, um die verheerenden Folgen der Pandemiekrise auch in Ostbelgien abfedern zu können.
Fast alle Bereiche der Zuständigkeiten kamen entweder in den Genuss von finanziellen Soforthilfen bzw von Erleichterungen, die sich in vielen Aspekten des tagtäglichen Handelns wiederfinden konnte.
Drei Krisendekrete wurden in diesem Hause verabschiedet – meistens getragen von einer satten Mehrheit bestehend aus den 3 Koalitionspartnern sowie der CSP und der ECOLO Fraktion.
Diese konstruktive Zusammenarbeit – parteiübergreifend – sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
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Meine werten Kolleginnen und Kollegen,
Doch welche Aussagekraft hat dieser Haushaltsentwurf für die kommenden Monate, welche Lehren können wir bereits heute ziehen und welche Perspektiven kann er den Mitmenschen da draussen eröffnen.
Nun – den seit 2 Jahren eingeschlagenen Weg der schwarzen Ergebniszahlen – müssen wir wohl oder übel verlassen – ohne ihn jedoch ganz aus den Augen zu verlieren.
Ziel ist es in den kommenden Jahren wieder zu dieser schwarzen Null zurückzufinden, zu einer Konsolidierung der Haushaltspolitik.
Dafür setzen wir uns ein – die laufenden Ausgaben müssen wieder ins Gleichgewicht gebracht werden.
Nur den genauen Zeitpunkt, der ist unter den heutigen Umständen kaum voraussagbar – hängt er doch von so vielen unvorhersehbaren Faktoren ab.
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Werte Kolleginnen und Kollegen,
Auch wenn eine Fraktion aus diesem Hause die Frage am letzten Donnerstag in der hiesigen Presse aufwarf:
Was und Wem können wir noch glauben?
Zeichnet sich dort eine Art von Ratlosigkeit ab? Fragezeichen
Sucht man verzweifelt nach Lösungen? Fragezeichen
Sucht man sie ÖSTLICH von OSTBELGIEN – nahm man das OST-BELGIEN zu wörtlich und reiste zum OSTEN OSTBELGIENS um Antworten zu finden?
Wie etwa nach BERLIN so wie im Frühjahr 2020? Fragezeichen
Sollte man sie nicht besser im eigenen LAND suchen, und nach Brüssel fahren.
Klar, beide Hauptstädte fangen mit dem Buchstaben „B“ an, die eine liegt östlich, die andere westlich von OSTBELGIEN gesehen….
Oder ist man einfach in den falschen Bus eingestiegen….kann ja mal passieren.
Aber warum in die Ferne schweifen, wenn die Antwort liegt so nah, denn die Antwort auf ihre Fragestellung lautet: diese Mehrheit….
Wir stehen für eine resolute Umsetzung unserer Versprechen, für einen weiteren Ausbau der Autonomie, aber vor allen Dingen für die Schaffung und Durchsetzung von langfristigen Perspektiven.
Zur Untermauerung dieser These brauche ich nur das ambitionierte Investitionsprogramm des kommenden Jahrzehntes zu erwähnen.
Ein Paket von 600 Millionen €, welches viele Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft geben wird.
Mit diesem Geld erschaffen wir neue moderne Bildungsstätten, zahlreiche Infrastrukturvorhaben, die der gesamten Allgemeinheit zu Gute kommen werden, neue Wohn-und Pflegezentren, Erweiterungen für unsere Krankenhäuser, wir fördern den Wohnungsbau – ob privat oder sozial – wir statten unsere neuen Zuständigkeiten mit finanziellen Mitteln aus, wir widmen uns der Verringerung des Co2 Ausstosses, verbessern die Sportstätten und ….verlegen flächendeckend ein Glasfasernetz in den 9 Gemeinden.
Der Zeitpunkt – vor der Schwelle des Jahres 2021 stehend – kann finanzpolitisch als ein perfekter Startpunkt für die Finanzierung dieser Projekte angesehen werden.
Die Zinslage für Anleihen tendiert seit geraumer Zeit de facto gegen Null Prozent – und teilweise sind sogar Negativzinsen für Finanzpakete verhandelbar – eine Veränderung der Zinspolitik nach oben – besonders in der Pandemiekrise – ist kaum absehbar.
Zudem besteht generell die Möglichkeit der Einfrierung der Zinssätze (garantierter Zinssatz über einen längeren Zeitraum).
Dieses Instrument – und ich behaupte einmal, dass der Finanzminister als ehemaliger Banker bestens informiert ist – kann zu jedem Zeitpunkt aktiviert werden.
Die Kunst wird dann darin liegen den geeignetsten Zeitpunkt zu erwischen, um einen langfristigen vorteilhaften Zinssatz festzuzurren und damit verbunden eine Planungssicherheit in Puncto Zinsbelastung aufzubauen!
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Meine werten Kollegen und Kolleginnen,
Wer von Zinsen spricht, der verbindet damit unweigerlich den Begriff der Anleihen oder anders ausgedrückt der Schulden.
Fragen zur Schuldenverkraftbarkeit eines belgischen Teilstaats, zur Investitionskapazität und zur Rückzahlungskraft oder gar zur Bonität sind berechtigt und gehören zur Aufgabe der Kontrollfunktion eines jeden Abgeordneten – ob Opposition oder ob Mehrheit.
Liebe Kollegen der Opposition, seien Sie versichert, dass die Mehrheit diese Fragen auch an die Regierung gestellt hat.
In zahlreichen Klausurtagungen – auch in Bezug auf die Haushaltsdebatten – wurde dies tiefgründig hinterfragt:
Mit dem Resultat – und da waren wir uns alle einig – dass wir neben dem Aspekt des finanztechnisch absolut günstigen Zeitpunktes – die von der Regierung angekündigten Projekte in die Tat umsetzen müssen.
Es sind langfristige und krisenfeste Infrastrukturvorhaben, die teilweise auch mit den Gemeinden zusammen „erbaut“ werden müssen.
Die DG wird ihren Teil dazu beitragen – unter den allen bekannten Zuschussbeiträgen!
- 80% Schulbauten
- 80% Infrastruktur und technische Ausrüstung für die Krankenhäuser
- 60 % für weitere Bauten, usw…
Den Rest der Summe wird dann von den Gemeinden oder von den Trägern zu finanzieren sein, welches im Umkehrschluss bedeutet, dass die angekündigten 600 Millionen für Investitionen, die die DG vorsieht, in Wirklichkeit noch übertroffen werden.
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Meine werten Kolleginnen und Kollegen,
Die Schuldensumme wird demnach ansteigen und die Milliardenmarke übertreffen.
Die Mehrheit zeigt sich bereit aber vor allen Dingen in der Lage, dieses ambitionierte Vorhaben anzugehen.
Ein Abwägen zwischen HANDELN oder ABWARTEN, war nie eine OPTION für uns.
Gesellschaftspolitisch werden wir Freiräume und Handlungsfelder aufbauen, wir werden wirtschaftspolitisch und sozialverträglich OSTBELGIEN in eine sichere Zukunft führen.
Zur politischen Entfaltung über 2024 hinaus, werden auch zukünftige Regierungen in OSTBELGIEN Möglichkeiten weiterhin vorfinden und sie sind da, denn:
Wir belasten zu einem akzeptablen Prozentsatz unseren Haushalt und gefährden zu keinem Zeitpunkt die Rückzahlungskapazität.
Die Bonität ist gesichert – dies wird untermauert durch die Tatsache, dass die Finanzinstitute der Haushaltsstrategie der Gemeinschaft folgen.
Floskeln wie zb : Wir verschulden uns für Generationen oder wir steuern dem finanziellen Ruin entgegen – kann man mit einfachen Worten gegenargumentieren:
Ich vertrete hier an dieser Stelle ganz klar die Meinung, dass wir nicht Schulden für Generationen schaffen, sondern vielmehr, dass wir heute den Grundstein für die Perspektiven für die kommenden Generationen legen!
Wer, wenn nicht der Staat sollte in Vorkasse gehen – handelt es sich doch hier eindeutig um eine Vorfinanzierung für die Projekte, die allen Bürgerinnen und Bürgern generationsübergreifend zu Gute kommen werden.
Auch den Einwurf der Oppositionskollegen, dass z.b. das Projekt des flächendeckenden Glasfaserausbaus nicht in den Zuständigkeitsbereich der DG falle, und daher haushaltstechnisch nicht ausgeführt würden dürfte, können wir folgendes entgegenhalten:
Die Digitalisierung muss vorangetrieben werden – darüber sind wir uns parteiübergreifend einig.
Sogar die Fraktion, die gegen den Ausbau des 5G Netzes ist, bringt hierzu eine Resolution ins PDG ein und fordert schnelles Handeln! Ein Wiederspruch in sich…
Unsere Antwort darauf: Die Koalition fasste dieses Vorhaben in einem eigen dazu aufgebauten Querschnittsthema zusammen und veranlasste die Ausarbeitung einer Studie zum Glasfaserausbau in OSTBELGIEN!
Die gesammelten Ergebnisse wurden unter der Federführung unserer Ministerin I. Weykmans vor rund 2 Monaten vorgestellt.
Um die Finanzierung zu gewährleisten wird die DG sich an einer noch zu gründenden Gesellschaft beteiligen.
Der Kostenfaktor wird bei etwa 40 Millionen € liegen – und für eine zukunftsorientierte Netzabdeckung mit Glasfaser sorgen.
Glasfaser bedeutet nichts anders als dass, riesige Datenmengen in rasendem Tempo down- und upgeloadet werden können, zeitgleich Filme in HD ruckelfrei zu sehen sind, störungsfrei ohne Verzögerungen/Unterbrechungen mehrere Dienste, Anwendungen und Kommunikationskanäle gleichzeitig genutzt werden dürfen.
Ganz unter dem Motto: Ohne Glasfaser läuft nichts so, wie es laufen sollte.
Denn jeder weiß: Täglich wächst die Menge der Daten, die durchs Netz müssen.
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Werte Kolleginnen und Kollegen,
Die Beteiligung der DG an einer Gesellschaft stellt keinen neuen Aspekt dar.
Die Proma Ag kann hier als ein markantes Beispiel angeführt werden.
Dennoch müssen in Coronazeiten auch kreative Lösungen her, um u.a. den Wirtschaftsstandort OSTBELGIEN am Laufen zu halten.
Die Sektoren HORECA sowie der gesamte Einzelhandel leiden besonders unter den Folgen der Lockdownphasen.
Um diese abfedern zu können, wurden Wirtschaftsbeihilfen durch die DG über die Gemeinden auf den Weg gebracht.
Finanztechnisch wurde dies über eine Erhöhung des Gemeindefonds abgewickelt, sodass hier eine rasche sowie verwaltungstechnisch einfache Lösung auf den Weg gebracht werden konnte.
Jede Gemeinde besitzt die Freiheit autonom zu entscheiden, wie sie diese Hilfen für den Einzelhandel in den Umlauf bringen möchte.
Zwei Systeme werden daher ins Auge gefasst: Gutscheine oder Prämien.
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Meine Damen und Herren,
Die besondere Lage in einer Grenzregion, im Herzen Europas, erschwert zudem die Situation für den Einzelhandel in OSTBELGIEN
Lockdownmassnahmen variieren eben von einem Land zum anderen und bringen den gesamten Markt in eine Schieflage.
Weitere Hilfspakete, um unsere Wirtschaft zu stützen, wurden zudem föderal und regional auf den Weg gebracht, dazu gehören auch Erleichterungen in Bezug auf ONSS Zahlungen, steuerliche Vorteile, uvm…
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Meine werten Kolleginnen und Kollegen,
Eine Bilanz dieser vielen Anstrengungen, die nicht nur der gesamte belgische Staat, sondern auch die EU in kürzester Zeit auf die Beine gestellt haben, wird erst in einigen Monaten oder vielleicht in einem Jahr erstellt werden können.
Dieser Haushaltsentwurf besteht – so ganz nebenbei – nicht nur aus den finanztechnischen Herausforderungen zur Eindämmung der Pandemiekrise und dem Investitionspaket, nein er enthält unzählige Punkte zur Bildungspolitik, zur Gesundheitsvorsorge, zum Tourismus, zur Alten-und Pflegevorsorge, zur Kinderbetreuung, zum Sport, zur Kultur, zur Medienpolitik und vor allen Dingen zu den neuen Zuständigkeiten wie der Raumordnung, dem Wohnungsbau und zu Teilen der Energiepolitik.
Das Haushaltsvolumen steigt von Jahr zu Jahr, die Haushaltsfibel wird voluminöser und umfangreicher.
Durch die Erweiterung unserer Autonomie, steigen naturgemäß auch die Erwartungen, die an den politischen Entscheidungen dieses Parlamentes genknüpft sind!
Die Strategieentwicklung und Regionalentwicklung unserer Gemeinschaft müssen auf einem breiten Dialog aufgebaut werden.
Einem authentischen Dialog, der Freiraum für das Bewusstsein für Ökologie, Umwelt, und Nachhaltigkeit enthält und alle Generationen mit ein bezieht.
Weitere Aspekte zu diesem Haushalt, werden wir – die PFF Fraktion – in den nachfolgenden Diskussionen zu den Fachausschüssen beleuchten.
Meine Kollegin Evelyn JADIN wird morgen zum Ausschuss 4 sprechen und mir wird es dann obliegen zu den Ausschüssen 2 und 3 Stellung zu beziehen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit,
Gregor Freches
Fraktionsvorsitzender der PFF