Montag, den 7. Dezember 2020
Rede zu den Haushaltsdebatten von unserem Fraktionsvorsitzenden Gregor FRECHES zum Thema BILDUNG
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident,
Sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Bei der Vorbereitung meines Redebeitrag´s zum Ausschuss 3 für Unterricht, Ausbildung, Kinderbetreuung und Erwachsenenbildung wurde meine Aufmerksamkeit auf zwei wesentliche Begriffe gelenkt, die da wären:
die Bildungsgerechtigkeit sowie die Chancengleichheit im Unterrichtswesen.
Es sind die Themenbereiche, die besonders in Zeiten der Corona-Pandemie – ich würde sogar sagen mehr denn je – in den Blickpunkt der aktuellen Herausforderungen des Unterrichtswesens geraten.
Wichtige Begriffe, deren Entwicklung wir als PFF-Fraktion fortwährend beobachtet haben, denn für uns sind es gerade diese Punkte, die wesentlich darüber entscheiden. ob ein modernes Bildungssystem erfolgreich ist oder nicht.
Beide Begriffe sind daher eng miteinander verknüpft:
Demnach ist Bildungsgerechtigkeit gewährleistet, wenn ALLE Kinder ein schulisches Kompetenzniveau erreichen können, welches ihnen ein ertragreiches und erfülltes Leben in einer modernen Gesellschaft ermöglicht.
Und dazu gehört in meinen Augen die Chancengleichheit, die sich auf gleiche Ausgangsbedingungen für alle stützt – unabhängig von der sozialen Herkunft!
Diesen Auftrag hat ein Bildungssystem zu erfüllen – auch das der DG!
Und gerade dieser Auftrag wird in Zeiten einer Pandemiekrise mehr denn je auf den Prüfstand gestellt.
Die Bildungsgerechtigkeit und damit verbunden der Bildungserfolg unterliegt – und dies untermalen zahlreiche Studien – einer hohen Abhängigkeit vom sozialen bzw. familiären Umfeld.
Und es war genau diese Abhängigkeit, die seit dem 13.3.2020 – dem 1. Lockdown immer wieder Kinder, Eltern und Lehrpersonen – aber auch die politisch Verantwortlichen vor grosse Probleme stellte.
Plötzlich – sozusagen von einem Tag auf dem anderen – mussten bekannte Abläufe, ja musste die Routine, die die Familien kannten, eingestellt werden und man musste, ob man es wollte oder nicht, sich komplett umorganisieren.
Die wohl bekannte kontinuierliche Art der Wissensvermittlung IN DER Schule und DURCH DIE Schule wurde komplett ausgebremst und teilweise auf Stand-By Modus gestellt.
Das soziale Umfeld spielte sich wochenlang nur mehr zwischen den 4 Wänden ab – manchmal auf sehr begrenztem Raum.
Nicht nur für die Familien eine Unbekannte – auch für das komplette Unterrichtspersonal.
Aus einem Präsenzunterricht wurde ein Fernunterricht und später ein Hybridunterricht.
Der tagtägliche Kontakt zu den Schülern wurde und wird auch aktuell noch auf eine harte Probe gestellt.
Die Politik musste einen kompletten Kollaps der Schulentwicklung mit allen Mitteln verhindern.
Der Aspekt der Digitalisierung rückte weltweit verschärft in den Mittelpunkt und stellte alle Verantwortlichen vor einer immensen Zerreißprobe.
War es weniger die Software, die Probleme bereitete, so musste in kürzester Zeit die Hardware folgen.
Geräte mussten angeschafft und verteilt werden – wo besonders die Familien bedient werden sollten, die eben nicht über Endgeräte verfügten – zur Gewährung der Chancengleichheit!
Dieser materielle Aspekt der Chancengleichheit war nicht nur in OSTBELGIEN ein Problem: national und international musste man diese Sachlage in den Griff bekommen.
*
* *
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Den Einbau der digitalen Möglichkeiten in den Schulalltag gehört seit Jahren zu den Querschnittsthemen der Bildungspolitik und zu meinen Forderungen!
Wie unter einem Brennglas wird der Fokus auf die bildungspolitische Entwicklung immer mehr mit dem Begriff der Digitalisierung verknüpft – besonders seit der ersten Lockdownphase.
Die Einbindung der Digitalisierung im Schulwesen kann nur GEMEINSAM MIT den best-bekannten Lernmethoden, wie Lesen, Schreiben, Rechnen zum Erfolg führen.
Das Eine ohne das Andere wird NICHT funktionieren, dieses untermalen viele Studien, die zu dem Thema weltweit ausgeführt worden sind.
Auch die PISA Studien – wenn man diese in ihrer Tiefe analysiert – heben diesen Aspekt hervor!
Die Anzeichen, dass die Jugendlichen – die ja die Arbeitswelt von morgen verkörpern werden – diesen Mix der Ausbildung benötigen, verdichten sich mehr und mehr!
Denn es geht ja darum die besten Bildungschancen – auch die Chance auf Aus- und Weiterbildung – zu gewähren!
*
* *
Meine werten Kolleginnen und Kollegen,
Den Bildungsstandort in einem Grenzraum weiterhin zu gestalten, beinhaltet viele Faktoren der Wissensvermittlung.
Insbesondere der Aspekt der Mehrsprachigkeit, den gerade eine Grenzregion am besten verinnerlichen sollte, benötigt unsere geballte Aufmerksamkeit.
Die Möglichkeit der bilingualen Kindergärten oder Grundschulen hat noch immenses Ausbaupotential in unserer Gemeinschaft.
Die Vermittlung der Fremdsprache – meistens Französisch – geschieht auf einem guten Niveau und das unterstreichen die ausgeführten Lernbestandserhebungen.
Eine positive Entwicklung ist messbar, könnte in meinen Augen aber noch verbessert werden…
Dass ich ein Fan der Bilingualen Lernmethode bin, brauche ich nicht besonders hervorzuheben.
Bereits im Senat, bei einem Kolloquium zum Thema Mehrsprachigkeit in Belgien, konnte ich dieses einmalige Modell vorstellen.
Auf kommunaler Ebene habe ich es aus der Oppositionsrolle erreicht, dass eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen wird, die sich mit dem Aufbau eines bilingualen Kindergartens in der Gemeinde beschäftigen wird.
Obwohl dem dort ansässigen Bürgermeister die Phrase „Parlez-vous français?“ – ja vielleicht auch der Song – bestens bekannt sein müsste.
Auf politischer Ebene richte ich von hier aus einen Appell, an alle Träger des Grundschulwesens: haben Sie den Mut und auch die Weitsicht, sich mit diesem Kapitel der Vermittlung der Mehrsprachigkeit auseinanderzusetzen.
*
* *
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Ich sagte es bereits, unsere Schulgeneration wird eben auch für die Aufgaben der Arbeitswelt ausgebildet.
Dazu gehört auch die Ausbildung zum Handwerk.
Die Duale Mittelständische Ausbildung gilt als Paradebeispiel in Belgien – das behaupten, nicht nur wir sondern so ganz nebenbei auch ihre Majestät König Philipp.
Wir – als OSTBELGIEN – haben einen grossen Vorteil gegenüber vielen anderen Regionen auf der Welt, und dies ist unser starker Mittelstand.
Die vielen grossartigen Handwerker sind gewillt und in der Lage ihr Wissen den Jugendlichen zu vermitteln, immer unter der Prämisse:
Handwerk hat goldenen Boden!
Dieser Leitsatz behauptet sich vor allen Dingen in Zeiten der Krise.
Ein Handwerker wird selten ohne Arbeit sein – ein Facharbeiter schon gar nicht.
Dem Facharbeitermangel entgegen zu treten, geschieht am besten, wenn man ihn an der Basis packt und selber die Leute ausbildet.
Dazu gehören auch die vielen Aus – und Weiterbildungen, die die ZAWMS anbieten.
A propos ZAWM´s: hier begrüssen wir die Zusammenlegung der beiden Zentren in einer einzigen Verwaltungsstruktur.
Eine angepasste Entscheidungsstruktur ist im Sinne der Verwaltungsvereinfachung insgesamt und könnte neue Energien freisetzen.
Verwaltungsstrukturen benötigen zudem die Schulzentren der Gemeinden.
Die Besetzung der Schulleiterstellen (besonders im Süden unserer Gemeinschaft) erweist sich immer mehr zu einer unüberwindbaren Hürde.
Der demographische Wandel wird in den nächsten Jahren noch härter zuschlagen und das Problem sogar noch verschärfen.
In der Gemeinde St.Vith ist seit Jahren die 3. Schulleiterstelle unbesetzt.
Zudem, werden in naher Zukunft die beiden aktuellen Schulleiter in Pension gehen und so verdreifacht sich in kürzester Zeit die Stellensuche.
Herausforderungen, die nicht nur in meiner Gemeinde St.Vith, zu bewältigen sind.
Die angestossene Reform der Schulleiterausbildung könnte hier Abhilfe schaffen, nur Verantwortung zu übernehmen – besonders gegenüber den früheren Kolleginnen und Kollegen – muss auch gelernt sein.
*
* *
Meine Damen und Herren,
Zum Abschluss der Rede möchte ich den Aspekt der Politischen Bildung in die Diskussion miteinbringen.
Die weltweite Corona-Pandemie stellt unsere Gesellschaft und jeden einzelnen vor neue, bisher unbekannte Herausforderungen.
Während wir von März bis Juni alle starke Einschränkungen und Veränderungen in unserem ‚normalen‘ Alltag hinnehmen mussten, gilt es nun einen Weg zu finden, mit Corona den Alltag wieder aufzunehmen.
Während es angemessen war, dass wir uns für einen Zeitraum auf Schadensbegrenzung und Notversorgung beschränkten, muss nun der Raum her, um über den Umgang MIT und die Folgen VON der Krise zu sprechen.
Die Zunahme von Verschwörungstheorien für die Pandemie, die sich auf der Straße in Demos Luft gegen ‚das System‘ macht und dabei Rassismus und Antisemitismus weiter stärkt, zeigt wie system-relevant politische Bildung gerade in Krisenzeiten ist.
Während die Schulen ihre Angebote stark auf die so genannten Kernkompetenzen zuspitzen, sollten wir der politischen Bildung zu ihrem Stellenwert im schulischen Alltag verhelfen, damit unsere kommende Generation bestens gerüstet in die Zukunft schreiten kann!
Dies im Sinne der Bildungsgerechtigkeit und der Chancengleichheit!
Wo wir wieder beim Beginn meiner Rede wären und damit schliesst sich der Kreis!
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit,
Gregor Freches
Fraktionsvorsitzender der PFF