Schriftliche Frage von unserem Fraktionsvorsitzenden Gregor Freches an den Bildungsminister zur Situation der Schulleiter im Primarschulwesen
Unser aller Ziel ist und bleibt es, „Gutes Personal für gute Schulen“ zu finden. In meiner heutigen Fragestellung möchte ich näher auf die Ernennung der Schulleiter im Primarschulwesen eingehen.
Im Rahmen einer öffentlichen Kontrollsitzung im Oktober 2016 erklärten Sie uns, werter Herr Minister, den dazugehörigen historischen Hintergrund. Vor rund 14 Jahren wurde ein Schulleiter bereits am 1. Tag seines Amtsantritts ernannt. Man sah von einer Probezeit ab, was nicht nur Risiken für den ernannten Schulleiter, sondern auch für die Schulgemeinschaft barg.
Gemeinsam mit den Gewerkschaften traf die damalige Regierung die Entscheidung, das Amt des Schulleiters und dessen Ernennung zu reformieren.
Um ernannt werden zu können, musste der Schulleiter ab sofort:
– mindestens 50 Jahre alt sein.
– dieses Amt vor einer etwaigen definitiven Ernennung seit mindestens 54 Jahren bekleiden.
– innerhalb von 5 Jahren nach Amtsantritt eine festgelegte Fachausbildung zum Schulleiter absolviert haben und der letzte Beurteilungsbericht muss mindestens mit der Note „ausreichend“ schließen.
In Ihrer Antwort stellten Sie zudem klar, dass keine Pläne seitens der Regierung bestünden, dieses Modell infrage zu stellen oder abzuändern.
Nun wird die Lage im Süden der Deutschsprachigen Gemeinschaft immer brenzliger. Ein dritter Schulleiter fehlt weiterhin in Sankt Vith, die 2 Schulleiter für 10 Primarschulen zählt. In unseren Augen besteht dringender Handlungsbedarf.
Meine Fragen nun an Sie, werter Herr Minister:
- Wie viele vakante Schulleiterstellen gibt es aktuell im Primarschulwesen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu verzeichnen?
- Gedenkt die Regierung weiterhin alles beim alten zu belassen oder will man das Modell bezüglich des Amtes des Schulleiters im Primarschulwesen reformieren, um solch brisante Situationen, wie wir sie nun seit einiger Zeit in Sankt Vith erleben, zu vermeiden?
- Gab es bereits Gespräche mit den Trägern der Primarschulen, um eine strategische Ausrichtung bezüglich der Leitung zu finden?
Antwort des Ministers
Die Fragestellung verweist auf die dienstrechtlichen Bestimmungen zur Ernennung der Schulleiter und fragt nach etwaigen Bestrebungen der Regierung, diese Bestimmungen abzuändern.
Tatsächlich sieht das Dienstrecht besondere Bestimmungen für das Amt des Schulleiters vor. Eine Ernennung in diesem Amt erfolgt dann, wenn das betreffende Personalmitglied mindestens 50 Jahre alt ist, ein Amtsalter von mindestens fünf Jahren aufweist und einen Bewertungsbericht vorlegen kann, der mindestens mit dem Vermerk „ausreichend“ schließt. Diese Ernennungsbedingungen gelten im Übrigen für die meisten Auswahl- und Beförderungsämter im Unterrichtswesen.
Ferner endet die Bezeichnung als Schulleiter von Amts wegen nach fünf Jahren, wenn das betreffende Personalmitglieder nicht innerhalb dieser Zeitspanne die Fachausbildung als Schulleiter erfolgreich absolviert hat.
Wie diese Regelung zu Stande gekommen ist, habe ich im Rahmen der öffentlichen Kontrollsitzung vom Oktober 2016 in Beantwortung der Frage von Frau Franziska Franzen erläutert.
Hierunter möchte ich nun auf die einzelnen konkreten Fragen antworten.
• Wie viele vakante Schulleiterstellen gibt es aktuell im Primarschulwesen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu verzeichnen?
Derzeit ist eine Stelle als Grundschulleiter in der Deutschsprachigen Gemeinschaft unbesetzt. Es handelt sich um die dritte Schulleiterstelle in der Gemeinde Sankt Vith.
Darüber hinaus haben wir im Gemeinschaftsunterrichtswesen derzeit die Besonderheit, dass ein Schulleiter sowohl die Primar- als auch die Sekundarschule leitet. In Kürze werden wir jedoch die vakante Stelle des Grundschulleiters ausschreiben und neu besetzen.
• Gedenkt die Regierung weiterhin alles beim Alten zu belassen oder will man das Modell bezüglich des Amtes des Schulleiters im Primarschulwesen reformieren, um solch brisante Situationen, wie wir sie nun seit einiger Zeit in Sankt Vith erleben, zu vermeiden?
Der Entwurf des aktuellen Maßnahmendekrets sieht tatsächlich eine Neuerung in Bezug auf den Zugang zum Amt des Grundschulleiters vor, von der wir uns eine Entschärfung der Situation versprechen.
Derzeit kommen für das Amt des Grundschulleiters nur Personen in Frage, die über das Diplom eines Primarschullehrers, eines Kindergärtners, eines Regenten (AESI) oder eines Lehrbefähigten für die Oberstufe des Sekundarunterrichts (AESS) verfügen oder die mindestens ein Diplom des Hochschulwesens des zweiten Grades im pädagogischen Bereich besitzen.
Da es sich im Grundschulbereich zunehmend schwierig gestaltet, Bewerber für die Tätigkeit des Schulleiters zu gewinnen, wird eine Flexibilisierung der Gesetzgebung angestrebt und in Analogie zum Sekundarschulwesen vorgeschlagen, dass das Amt des Grundschulleiters künftig allen Personen zugänglich ist, die mindestens über ein Diplom des Hochschulwesens des ersten Grades (Graduat/Bachelor) verfügen.
Um zu gewährleisten, dass künftige Schulleiter, die nicht über ein Diplom mit pädagogischer Ausrichtung verfügen, dennoch pädagogische Grundkenntnisse erlangen, wird vorausgesetzt, dass diese ein zusätzliches Modul im Rahmen der Fachausbildung als Schulleiter absolvieren.
Für die Grundschulleiter soll dieses pädagogische Modul folgende Themenfelder abdecken:
- Elementare Kenntnisse in Bezug auf das Bildungssystem in der Deutschsprachigen Gemeinschaft
- Besonderheiten der Organisation Schule
- Allgemeine Didaktik
- Grundschuldidaktik
Eine Anpassung der Ernennungsbedingungen – die nicht nur für das Amt des Grundschulleiters, sondern für eine Reihe von Auswahl- und Beförderungsämtern im Unterrichtswesen gelten – ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant.
Durch die Öffnung der Zugangsbedingungen erhoffen wir uns für alle Träger erhöhte Rekrutierungschancen. Damit auch die Gemeinde Sankt Vith bereits für das kommende Schuljahr die Möglichkeit hat, sich bei der Suche nach einem neuen Schulleiter auf die erweiterten Zugangsbedingungen zu stützen, wird vorgeschlagen, die entsprechende Bestimmung nicht erst wie üblich am 1. September 2020 in Kraft treten zu lassen, sondern bereits am Tage der Verabschiedung des Maßnahmendekrets, die Ende Juni erfolgen dürfte.
• Gab es bereits Gespräche mit den Trägern der Primarschulen, um eine strategische Ausrichtung bezüglich der Leitung zu finden?
Wir stehen in stetigem Kontakt mit den Trägern und mit einzelnen Schulen.
Zum einen pflegen wir die Entwürfe der Dekrete im Unterrichtswesen mit den Schulträgern zu konzertieren; zum anderen wenden sich sowohl Träger als auch Schulen unmittelbar an uns und/oder die zuständigen Fachbereiche im Ministerium, um Probleme zu erörtern und Lösungswege zu eruieren. Aus diesen Gesprächen ergeben sich nicht selten Neuerungen und Anpassungen, die über die Maßnahmendekrete gesetzlich verankert werden.
Die Einführung der Chefsekretäre im September 2018 sei an dieser Stelle als Beispiel für eine Maßnahme erwähnt, die aus dem Austausch mit den Schulträgern der Grundschule entstanden ist, mit dem Ziel, die Schulleiter in ihren administrativen Aufgaben zu entlasten.
Zu Beginn der laufenden Legislaturperiode haben die Gemeindeschulträger über ihre Koordinationsstelle ein Memorandum vorgelegt, auf dessen Grundlage im Oktober 2019 ein Austausch mit Schulleitern und Schulschöffen der Gemeinden stattgefunden hat. In diesem Rahmen wurde unter anderem der Fachkräftemangel sowie die auf die Schulleiter anwendbaren dienstrechtlichen Bestimmungen thematisiert. Aus diesem Austausch haben sich auch in diesem Jahr diverse Anpassungen ergeben, darunter die Öffnung der Zugangsbedingungen zum Amt des Grundschulleiters.
Auch im Rahmen des Projekts Gesamtvision, genauer gesagt im Zuge der Diagnose des aktuellen Stands des Bildungssystems in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, war die Stärkung der Schulleiterfunktion ein Thema. Im weiteren Projektverlauf wird diese Frage sicherlich noch mit den Bildungsakteuren diskutiert und vertieft werden.