Rede zum Haushalt 2020 – Eupen, den 9/12/2019
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident,
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Sehr geehrte Herrn Minister,
Sehr geehrte Damen und Herrn Abgeordnete,
Als Ministerpräsident Oliver PAASCH im Namen der Regierung vor einigen Wochen dem Parlament den Haushalt 2020 vorstellte, war eines klar:
Die nach unten tendierenden Wirtschaftsparameter werden diesen Haushaltsentwurf grundlegend prägen – ja in der Handlungsfähigkeit entscheidend beeinflussen!
Bereits im Frühjahr, noch vor Ende der Legislatur – ich darf sie nochmals erinnern – wies der Ministerpräsident in den Vorstellungen zur Haushaltsanpassung auf diese sich anbahnende Tendenz hin.
Die europäische Wirtschaft insgesamt – und dazu gehört auch die belgische – wird nach gewinnrauschenden Jahren auf den harten Boden der Realität zurückgeholt.
Weltweite Handelskonflikte, immer mehr Staaten die prioritär auf Protektionismus setzen, sowie der anstehende Brexit – irgendwann wird er ja kommen – können nicht einfach so im Vorbeigehen abgefedert werden!
Das alles hat zu Folge, dass sich die Konjunkturdaten weltweit verschlechtern!
Die Märkte sind verunsichert – die Niedrig-Zinspolitik bleibt unverändert und es gibt kaum einen Lichtblick, der zum Optimismus verleiten könnte.
Das Wirtschaftsbarometer sinkt weiter und lässt uns an die Jahre vor der letzten Wirtschaftskrise erinnern.
Dass es unweigerlich zu Veränderungen kommen wird, ist daher mehr als sicher.
Wie die Auswirkungen letztendlich sein werden ist leider heute noch unvorhersehbar!
Ungern erinnert man sich an die Jahre 2007 und 2008 zurück, liegen sie doch erst etwas mehr als 1 Jahrzehnt hinter uns.
Die damalige weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise begann und sie hinterliess tiefe Spuren, mit denen wir heute noch zu kämpfen haben.
Auswirkungen die unsere gesamte Gesellschaft gravierend gezeichnet haben!
Es sind genau diese Vorboten der damaligen Krise, die uns heute, kurz vor der Schwelle des Jahres 2020 stehend, wieder einholen.
Sie bauen nicht nur eine Hürde der Ungewissheit auf, sondern sie sind die wesentlichen Gründe, warum es in der heutigen Zeit für viele Staaten bzw Gliedstaaten die Aufgabe nicht unbedingt leichter macht, wenn es heisst, perspektivisch und mit Weitblick die Haushaltsprognosen zu erstellen.
Vor allem aber leiden diejenigen darunter, die sich auf ihrer Agenda das ambitiöse Ziel der sogenannten „schwarzen Null“ gesetzt haben:
Ein komplexes Unterfangen, welches da wäre, das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben aufrechterhalten zu wollen!
Und dieses Ziel hat sich auch die Deutschsprachige Gemeinschaft gesetzt. Bereits vor dieser Legislaturperiode wurde dieses Ziel ausgegeben!
Die Zielsetzung der „Schwarzen Null“ war keine geringere als die, keine weiteren Haushaltsdefizite aufzubauen und damit verbunden keine weitere Verschuldung zu generieren.
Die aktuelle Mehrheit hält unbeirrbar an diesem Kurs fest – und wahrt somit die so oft zitierte aber auch die so oft kritisierte Kontinuität.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Sinkende Einnahmen auf der einen Seite, steigende Wünsche und Anliegen der Gesellschaft auf der anderen, müssen demnach in ein Gleichgewicht gebracht werden.
Mit über 450 Millionen Euro, zählt dieser Haushaltsentwurf wiederum zu einem der imposantesten in den letzten Jahren.
Die politische Aussage, die hinter diesem Haushalt steht, ist dennoch eine Andere, als in den Jahren zuvor.
Die DG steht – nicht nur seit der Umsetzung der 6.Staatsreform – vor weiteren neuen und großen Aufgaben.
Wichtige Aufgaben – ich möchte sogar einen Schritt weiter gehen – es sind die Zukunftschancen – die uns der Wille nach Autonomieerweiterung ermöglicht hat – hin zu einer Gleichberechtigung im föderalen Staatsgefüge!
Dieser unbändige Wille OSTBELGIEN weiter zu entwickeln, wird unweigerlich neue Möglichkeiten der Gestaltung ermöglichen!
Jahrzehnte lang wurde sich parteiübergreifend dafür stark gemacht die Zuständigkeiten Raumordnung und Wohnungsbau nach OSTBELGIEN zu holen.
Jahrzehnte lang träumte man davon, nicht nur unseren Raum selber ordnen zu dürfen, sondern auch davon, den Wohnungsbau auf unsere Bedürfnisse anpassen zu können.
Und so nebenbei erhielten wir noch Teile der Zuständigkeiten in Fragen der Energie.
Ein höchst interessantes Gesamtpaket, welches wir Liberale innerhalb von nur 18 Monaten durch tatkräftiges Mitwirken für unsere HEIMAT erreicht haben!
Das ist doch etwas – oder…
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Ich sprach von einem Haushalt von über 450 Millionen €, einem Haushalt der wiederum seine Schwerpunkte auf Bildung, Beschäftigung, Soziales und Gesundheit legt.
Es sind vor allem diese genannten Schwerpunkte, die uns wichtig erscheinen:
Warum?
Sie stellen den Menschen in den Mittelpunkt, sie befassen sich mit dem täglichen Leben jeder Bürgerin und jeden Bürgers.
Hinter all den Zahlen des Haushaltes 2020, finden wir Programme, Konzepte, Ideen, Beihilfen, Perspektiven, Planungssicherheit und vieles mehr, die die Grundlage für eine dynamische und zukunftsorientierte Lebensregion bilden.
Unzählige Dienstleistungen werden aufrechterhalten und teilweise ausgebaut.
Praktisch von der Geburt an (und sogar noch früher – nehmen wir uns nur den Aufgabenbereich von Kaleido als Basis) bis hin ins hohe Alter, immer und immer wieder kommen die Menschen direkt oder indirekt mit den Dienstleistungen der DG in Berührung.
Oftmals nimmt man dies gar nicht mehr so zur Kenntnis – man ist praktisch damit aufgewachsen – man hat es einfach nicht anders gekannt.
Es gehört ganz einfach zu unserem Alltag!
Nur wie hätte die Welt in OSTBELGIEN ohne die Autonomiebestrebungen ausgesehen…ich wage es mir kaum vorzustellen – denn ich bin z.B. damit aufgewachsen.
Meine Damen und Herren,
Der vorliegende Haushalt versucht eine Antwort auf all die aufgeworfenen Fragen zu liefern und spiegelt den Ehrgeiz, aber auch den politischen Mut der Regierung wider, der Zukunft entschlossen zu begegnen.
Sind wir im Soll?
Diese Frage darf an dieser Stelle aufgeworfen werden und sie ist nicht einfach zu beantworten…denn es geht natürlich immer mehr.
Besonders aus dem Blickwinkel der Opposition heraus betrachtet, geht natürlich immer mehr!
Wir hörten es heute wieder einmal…
Nur die Frage sei dennoch erlaubt: ist auch alles umsetzbar?
Wo sind denn die konkreten Ansätze zu erkennen?
Wo wären vor allen Dingen denn diese Finanzmittel zu finden?
Interessant wäre es natürlich auch für uns, den Mehrheitskollegen gewesen, man hätte uns einen – ich nenne es einmal so – Oppositions-Schattenhaushalt vorgelegt.
Einen Schattenhaushalt mit klar definierten Zahlen, Zahlen die unterstrichen hätten, wo man Gelder abzieht und wo man neue Schwerpunkte setzen möchte.
Sie – werte Kollegen der Opposition – sie hätten ja gar nicht das Rad neu erfinden zu brauchen, nur Zahlen in Programme umsetzen müssen!
Welche Bereiche wären dem Rotstift zum Opfer gefallen? Wo hätten sie Mittel gestrichen?
Beim Sport, bei der Kultur, beim Vereinswesen, beim Ehrenamt, … natürlich alles hypothetisch, denn es gibt ihn ja nicht den Schattenhaushalt der Opposition.
Obwohl alle Zahlen zur Verfügung gestanden hätten – ich erinnere nur an den Finanzmonitor.
Dagegen hat die Regierung mit diesem Haushalt 2020 ihre Richtung eingehalten und ihre Prinzipien nicht über den Haufen geworfen :
keinen sozialen Kahlschlag, keine Herabsetzung der Kulturmittel – um nur 2 Beispiele zu nennen – dafür aber eine handlungsfähige Umsetzung der Ziele.
Naja, werte Kolleginnen und Kollegen so ganz ohne Einsparungen oder Korrekturen ging es nun doch nicht.
Sinkende Einnahmen wie bereits erwähnt, führten dazu, dass wenig – in meinen Augen – spektakuläre Entscheidungen getroffen werden mussten:
Um nur ein Beispiel der Entscheidungen zu nennen, welches vor allen Dingen bei den Gemeinden für Bauchschmerzen sorgte, war die Einfrierung der Wegedotation – wohlgemerkt nicht die Streichung.
Nur zur Auffrischung, der Betrag der Wegedotation wuchs kontinuierlich in der letzten Legislaturperiode um satte 40 % an : von 1,6 M € auf mittlerweile 2,25 M € pro Jahr.
Weitere Massnahmen sind vorgesehen, dafür benötigt es Weitsicht und den Mut zur Neuorientierung.
So möchte die Regierung die gesamte Verwaltung einem externen Audit unterziehen, welches im kommenden Jahr – also in einem kompakten Zeitraum – durchgeführt werden soll.
Anhand der Empfehlungen wird es dann spätestens zum kommenden Haushalt 2021 zu Neuerungen oder Strukturveränderungen kommen.
Aber besonders leidet die Investitionskapazität der DG unter den neuen Vorgaben.
Bedingt durch die strikte Einhaltung der Haushaltsvorgaben, werden weniger Mittel in den kommenden Jahren zur Verfügung stehen.
Eigentlich ein Paradoxum!
Nie waren die Zinsen so niedrig wie heute, nie war es so einfach zu investieren bzw kostengünstig Kredite zu erhalten!
Sogar Negativzinsen – also man bekommt Geld zurück, wenn man Geld leiht – sind an der Tagesordnung!
Nur, da war doch noch etwas:
Ach ja! Die Staaten werden in ihren Investitionsmöglichkeiten blockiert!
Der Grund:
Auf der einen Seite steht die Schuldenbremse – die wie der Name es schon andeutet, es verhindert weitere Schulden zu machen – und auf der anderen Seite tauchen auch noch die berüchtigten SEC NORMEN auf!
Die strenge Einhaltung der SEC NORMEN – meine werten Kolleginnen und Kollegen – lässt u.a keine Abschreibung von Investitionen zu (wie z.B. in der Privatwirtschaft) zu – sie schreiben demnach vor, dass nur die im Haushaltsjahr erzielten Überschüsse für Investitionen also für Infrastrukturprojekte vorgesehen werden dürfen.
Und damit schrumpfen unweigerlich die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung – auch für die Projekte der Gemeinden.
Auch hier eine kurze Auffrischung: in der letzten Legislaturperiode waren es immerhin noch etwa 80 Millionen €, die im Haushalt für Infrastrukturmassnahmen ausgegeben worden sind.
Können keine weiteren neue Möglichkeiten geschaffen werden, um diese so immens wichtige Investitionskapazität zu erhöhen, wird dies unweigerlich zu einem Investitionsstau führen.
Kolleginnen und Kollegen,
Wie wichtig dieses Investitionsvolumen doch insgesamt ist und welche Auswirkungen es auf die zukünftige Gestaltung unserer Infrastrukturlandschaft haben wird, wurde Vielen erst im Nachhinein bewusst.
Besonders laut wurde es dann, als die Reaktionen aus den Gemeinden uns erreichten!
Umso wichtiger war es daher, dass in einem breit- und transparent angelegten Dialog mit allen 9 Gemeinden die Projekte definiert wurden, die in der nahen Zukunft umgesetzt werden können.
Hier war es an den Gemeindeverantwortlichen Prioritäten zu setzen, um sich für die Infrastrukturprojkete zu entscheiden, die auch in den Augen der Bevölkerung als wichtig angesehen werden können.
Sie finden sich alle im Infrastrukturkatalog der DG wieder.
Natürlich mussten Abstriche gemacht werden, die dem einen oder anderen Gemeindevertreter nicht gefallen haben, aber die aktuelle Finanzlage liess keinen weiteren Handlungsspielraum zu.
Meine Damen und Herren,
Genaugenommen heisst es aber ab nun – denn die Zeit drängt – alle Möglichkeiten auszuloten, wie wir alle zusammen – parteiübergreifend – uns mit dem Problem der fehlenden Investitionskapazität auseinandersetzen können und wie wir Lösungen finden können.
Die öffentliche Hand ist einer der wichtigsten Auftraggeber – auch in OSTBELGIEN!
Eine Einschränkung der Investitionskraft, wie es durch die Einhaltung der SEC NORMEN gefordert wird, führt im Umkehrschluss auch zu einer Verminderung des Brutto Inlands Produktes – zu einem Abbau von Arbeitsplätzen!
Eine Art der Lösungsfindung könnte die Neutralisierung der Infrastrukturausgaben sein – wie es bereits einige Gliedstaaten in Belgien machen.
Zum Beispiel hat Flandern aufs massivste diesen Weg eingeschlagen.
Gehen wir nur ein Jahr zurück und befassen uns noch einmal mit den Bemerkungen des Rechnungshofes, der folgende Ausführung in seinem Bericht verfasste:
Es ging um die Verwendung der Flexibilitätsklausel:
„Wie aus dem Stabilitätsprogramm 2018-2021 hervorgeht, beabsichtigen die Föderalregierung und die föderalen Gebietskörperschaften, auf eine Lockerung der Flexibilitätsklausel hinzuarbeiten, die es ermöglichen würde, im Rahmen der belgischen Haushaltsanstrengung gewisse sogenannte strategische Investitionsausgaben zu neutralisieren. In Erwartung einer Entscheidung der europäischen Behörden berücksichtigt das Stabilitätsprogramm eine mögliche Neutralisierung öffentlicher Investitionen jedoch nicht. »
Nicht nur BELGIEN ist am Zug – sondern vor allen Dingen die EU!
Wie sie erkennen werden, wurde das Problem erkannt – aber leider „noch“ nicht gebannt.
Meine Damen und Herren,
Als Fazit meiner Rede möchte ich dennoch folgendes mit auf dem Wege geben:
Die Politik – also wir – sollte immer daran denken positive Zeichen zu setzen, den Optimismus nicht aus den Augen zu verlieren und mit klaren Vorgaben den Menschen zukunftsweisende und praktisch umsetzbare Perspektiven zu bieten.
Ich danke Ihnen für ihre geschätzte Aufmerksamkeit,
Gregor FRECHES
Fraktionsvorsitzender der PFF