Plenarsitzung vom 25. März 2019
Rede von unserem Fraktionsvorsitzenden Gregor FRECHES zum Resolutionsvorschlag zur garantierten Vertretung in den Parlamenten, die Zuständigkeiten im deutschen Sprachgebiet ausüben – Dokument 288
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident,
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Sehr geehrte Herren Minister,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Kattrin Jadin, Jenny Baltus Moeres, Edmund Stoffels, Pascal Arimont, Karl-Heinz Lambertz, Jacques Schrobiltgen, Michel Neumann, Alfred Ossemann und Yves Derwahl sind allesamt deutschsprachige Abgeordnete, die ihre politische Arbeit in anderen Parlamenten verrichten.
Zudem sind sie beratende Mandatare im PDG.
Kattrin Jadin, Jenny Baltus-Moeres und Edmund Stoffels wurden in die jeweiligen Kammern gewählt, dank einer aussichtsreichen Platzierung auf den Listen der jeweiligen Schwesterpartei.
Einer Platzierung, die ihnen nicht von Gottes Gnaden gegeben wurde, sondern die sie sich in all den Jahren durch ihren unermüdlichen Einsatz redlich erarbeitet haben.
Sie haben nicht nur das Vertrauen der Partei erlangt und erhalten, sondern sie konnten ebenfalls die Wählerinnen und die Wähler anderer Wahlbezirke davon überzeugen, ihre Stimme für sie abzugeben.
Wählerstimmen, die dazu führten, als Deutschsprachige in diese Parlamente einzuziehen.
Die 4 Provinzialräte konnten wir hingegen selber wählen – da wir hier unseren eigenen Wahlkreis haben.
Genauso wie den einzigen EU-Abgeordneten Pascal Arimont, dessen Partei von den 50.248 möglichen Stimmen, 11.739 Wähler hinter sich vereinigen konnte – also 23,36% – oder anders ausgedrückt etwas weniger als ¼ der im Jahre 2014 Wahlberechtigten.
Der jetzige Senator Karl-Heinz Lambertz erhielt den Auftrag von unserem Parlament.
Er erhielt 14 Stimmen von 25 – die Stimmen der aktuellen Mehrheit.
In Prozentzahlen ausgedrückt sind das immerhin 56%.
Soviel wie gesagt zur aktuellen Lage….
Meine Damen und Herren,
Die Bürgerinnen und Bürger der Deutschsprachigen Gemeinschaft leben in einem Staat, dessen politische Aufteilung eines der komplexesten Gebilde in ganz Europa darstellt – ich möchte sogar behaupten weltweit beinahe einzigartig ist.
Das so in den letzten Jahrzehnten entstandene Staatsgefüge verändert sich mit jeder beschlossenen Staatsreform und bietet uns, den deutschsprachigen Belgiern, immer mehr Möglichkeiten, UNSERE Gemeinschaft selbst zu gestalten und somit eigenständig neue Perspektiven zu erdenken.
Neue Kompetenzen schaffen uns in vielen Bereichen die so wichtige Eigenständigkeit, geben uns neue Handlungsspielräume, verlangen aber im gleichen Atemzug – und das versteht sich so denke ich von selbst – die Verantwortung zu übernehmen.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Die eigentlichen Hebel zur Übertragung dieser so wichtigen Bausteine unserer Autonomie halten aber nicht wir, sondern vielmehr andere Parlamente in ihren Händen – dies ist eben das Los einer Gemeinschaft … UNSERER Gemeinschaft!
Und obwohl wir Belgier vor dem Gesetz alle gleich sind – Artikel 10 der Verfassung – ergeben sich doch kleinere aber dennoch feine Unterschiede, die sich vor allen Dingen politisch in der gesetzlich verankerten Vertretung in den Parlamenten, die Zuständigkeiten im deutschen Sprachgebiet ausüben, wiederspiegeln.
Es besteht hier ein Ungleichgewicht in Bezug auf eine garantierte Vertretung in diesen Parlamenten – obwohl wir ja vor der Verfassung – ich wiederhole – ja alle gleich sind!
Zwar sind wir stand heute im föderalen Parlament und im Parlament der Wallonie gut vertreten, aber niemand mag vorhersehen können, was nach dem 26.5.2019 der Fall sein wird.
Es könnte durchaus passieren, dass wir, die deutschsprachigen Belgier, in der kommenden Legislaturperiode in keinem der beiden Parlamente unsere Stimme erheben könnten.
Gute Verbindungen zu den jeweiligen Schwesterparteien im Inland bestehen effektiv – aber es besteht definitiv KEINE Garantie!
Dennoch bedarf es mehr als das, um unsere Belange, unsere Anliegen aber auch unsere Forderungen in diesen Kammern vorzubringen.
Da wir uns oftmals selbst als die wahren Belgier bezeichnen, ist es nicht nur ein vertretbarer Anspruch, sondern vielmehr eine gerechtfertigte Forderung der Gleichstellung gegenüber unseren wallonischen und flämischen Mitmenschen, die wir hier mit der Hinterlegung dieser Resolution nochmals deutlich machen wollen.
Wir haben unsere eigene Identität, wir stellen eine starke Gemeinschaft in Belgien dar – obwohl wir relativ klein sind – wir haben eine garantierte Vertretung im Senat, wir stellen einen EU-Abgeordneten – haben Provinzialabgeordnete und wir fordern weiter unseren garantierten Platz in Kammer und im Parlament der Wallonischen Region.
Wir wollen nicht nur fordern, um zu fordern – nein, wir wollen vielmehr auf Augenhöhe mitreden, wenn es darum geht unsere Ansichten klarzumachen, wenn es heute heißt Synergien zu schaffen oder wenn wir Barrieren abbauen wollen.
Der Aspekt der Kleinheit, sprich die aktuelle Bevölkerungssituation in der DG mit 77.000 Menschen, die gerade einmal 0,7% der gesamten belgischen Bevölkerung ausmacht, aber dennoch 2,1 % der Wallonie, gilt aktuell als Kriterium und als zu wenig repräsentativ.
Bei der Vorbereitung zu meiner Rede habe ich mir die Situation in unserem Nachbarland Deutschland etwas genauer betrachtet.
Hier ist Bremen mit etwa 568.000 Einwohnern, das kleinste Bundesland – Stand 2017.
Verglichen mit der Gesamtbevölkerung in Deutschland, sind dies ebenfalls nur 0,68% – also noch etwas geringer als unser Verhältnis in Belgien.
Bremen ist aber mit 6 Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten (von 709 Mitgliedern – 0,08%).
Ein kleines markantes Beispiel, wie in anderen Ländern die Repräsentative Demokratie aufgebaut ist…alle sind vor der Verfassung gleich!
Und hier schließt sich der Kreis meiner Rede.
Meine Damen und Herren,
Im Jahre 1977 wurde sie erstmals in diesem Hause offiziell gestellt, die Forderung zu einer garantierten Vertretung.
Auch 42 Jahre später – also 2019 – bringen wir immer noch die Energie auf, eine solche Resolution zu hinterlegen, um auf unsere Situation aufmerksam zu machen.
Mehr als 4 Jahrzehnte sind seitdem vergangen.
Dennoch waren wir in diesen 4 Jahrzehnten nicht tatenlos.
Vieles haben die deutschsprachigen Politiker, die im föderalen Parlament oder auf Ebene der Wallonischen Region uns repräsentiert haben, für uns, für die GESAMTE DG, bewirkt.
Dafür sollten wir Ihnen vor allen Dingen auch unseren Dank aussprechen, denn einfach war dies definitiv nicht.
Es benötigte und es benötigt weiterhin sicherlich einer gewissen politischen Intelligenz, einem feinen Gespür für das Momentum, aber vor allen Dingen einer breiten Dialogbereitschaft, denn oft sind sie vergleichbar mit Exoten in ihrem eigenen Land – zumindest auf dem politischen Terrain.
Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit,
Gregor Freches
Fraktionsvorsitzender der PFF im PDG