In der gestrigen Plenarsitzung von Montag, den 22. Februar, ging der Senator Alexander MIESEN in seinem Redebeitrag auf den Resolutionsvorschlag an die Föderale Kammer, die Föderalregierung und das Parlament und die Regierung der Wallonischen Region zur Förderung der deutschen Sprache ein.Im Folgenden die Rede des Senators zum Nachlesen.
Artikel 34 des Versailler Vertrags vom 28. Juni 1919: „Deutschland verzichtet zugunsten Belgiens auf alle Rechte und Ansprüche auf das gesamte Gebiet der Kreise Eupen und Malmedy.“ Diesen Passus möchte ich als den Urknall bezeichnen, der dazu geführt hat, dass wir heute in einem Belgien mit vier Sprachgebieten, mit drei Gemeinschaften, mit drei Landes- und Amtssprachen, mit einer authentischen Verfassung in deutscher Sprache und einem deutschsprachigen König leben. Die Bevölkerung des mittlerweile deutschen Sprachgebiets unseres Landes wurde seinerzeit nicht wirklich gefragt, ob sie durch diesen Vertrag einem Land zugewiesen werden möchte, in dem ihre Sprache und Kultur nicht nur fremd war, sondern in dem sie auch noch aufgrund ihrer geringen Größe in eine Minderheitensituation geriet. Im Laufe der vergangenen fast 100 Jahre hat sich unsere Bevölkerung aber zu waschechten Belgiern entwickelt, überwiegend königstreu, mit einem gesunden Maß an Patriotismus, oftmals mit Kenntnis von mindestens einer der beiden anderen Landessprachen und mit einer guten Portion Stolz auf die fußballerischen Leistungen der Roten Teufel. Bedeutet dies nun, dass die Minderheit im Osten Belgiens ihre Wurzeln aus dem deutschen Kulturkreis abgeschlagen hat oder hätte abschlagen müssen? Bedeutet dies, dass die Menschen sich aufgrund ihres Minderheitenstatuts dem großen angrenzenden französischen Kulturkreis angepasst haben oder anpassen müssen? Sind Staatsgrenzen zwangsläufig auch Sprachgrenzen? Müssten die wenigen ostbelgischen Bewohner sich nicht einfach demütiger zeigen und sich in einen der anderen belgischen Kulturkreise integrieren? NEIN, sagt die PFF auf all diese Fragen. Es gibt keinen einzigen Grund, und schon gar nicht den der Minderheitensituation, warum ein deutschsprachiger Belgier in unserem Land, der aus der Geschichte heraus dem deutschen Kulturkreis angehört, durch das Gesetz, durch eine Behörde oder durch eine öffentliche Einrichtung ungleich zu einem niederländisch- oder französischsprachigen Belgier behandelt werden sollte.
Das sieht in Belgien aber nicht nur die PFF so, sondern sicher auch die überwältigende Mehrheit dieses Hauses und vor allem sieht das in Belgien der Verfassungsgeber so. Das Gleichheitsprinzip zieht sich wie ein roter Faden durch unseren Rechtsstaat und durch unser Föderalsystem.
Artikel 2: es gibt auch eine deutschsprachige Gemeinschaft, Artikel 4: es gibt auch ein deutsches Sprachgebiet
oder Artikel 189: der Text der Verfassung ist auch in Deutsch festgelegt
Hinzu kommt, dass ebenso der Gesetzgeber das Deutsche den anderen Landessprachen gleichstellt, etwa in den Sprachengesetzen. Das Gebiet deutscher Sprache ist einsprachig Deutsch.
Last but not least spricht sich auch der Verfassungsgerichtshof (Schiedshof) sehr deutlich für die sprachliche Gleichbehandlung der deutschsprachigen Belgier aus. Siehe dazu sein oft zitiertes Urteil 59/94 vom 14. Juli 1994, in dem der Hof sagt, dass alle Gesetzestexte auch in deutscher Sprache zur Verfügung stehen müssen. Und zu Recht, wie sonst könnte ein deutschsprachiger Belgier von seinen gesetzlichen Rechten und Pflichten Kenntnis nehmen? Unkenntnis des Gesetzes schützt nicht vor Strafe!
Rein formell also ist die deutsche Sprache in Belgien den beiden anderen Landessprachen gleichgestellt. Warum also bin ich auf die Idee gekommen, eine Resolution einzubringen, die zum Ziel die Förderung der deutschen Sprache in Belgien hat? Tue ich das etwa, um die Adressaten der Resolution zu ärgern? Nein. Die Grundprinzipien sind zwar klar, aber in der Umsetzung hapert es an manchen Stellen sogar gewaltig. Wir fordern in dieser Resolution nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Anwendung geltenden Rechts durch die föderale und regionale Ebene, die ja beide Befugnisse auf unserem Sprachgebiet ausüben. Es ist in meinen Augen z.B. nicht annehmbar, dass ein Bürger des deutschen Sprachgebiets Post seitens der Nationalbank auf Französisch erhält. Dass Dienstanweisungen an föderale oder regionale Beamte und Institutionen, die für das deutsche Sprachgebiet zuständig sind, nicht in Deutsch erfolgen. Es kann nicht angehen, dass viele Internetportale föderaler und auch regionaler Ministerien und Einrichtungen nur ansatzweise Informationen in Deutsch bieten. Keineswegs annehmbar ist, wenn in Belgien dem Englischen Vorrang vor Deutsch eingeräumt wird. Es ist nicht vertretbar, dass ein Unternehmer aus der DG einen Zuschussantrag lieber auf Französisch stellt, weil er nur so zu seinem frankophonen Konkurrenten eine gleichschnelle Bearbeitung seitens der Behörde erhält… Aus diesen und ähnlichen Gründen habe ich die Resolution zur Förderung der deutschen Sprache ins PDG eingebracht, welches ja eines der wichtigsten Sprachrohre der Bewohner des deutschen Sprachgebiets ist.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
der uns vorliegende Resolutionstext prangert aber nicht nur an oder fordert einfach nur die Einhaltung von Gesetzen ein, nein, er bietet den Adressaten auch konkrete Ansätze, wie die Umsetzung der Grundprinzipien zum Gebrauch der deutschen Sprache verbessert werden kann, z.B. in Sachen Rechtsterminologie. Das erhöht in meinen Augen die Chancen auf eine Verbesserung der Lage. Fakt ist ebenfalls, dass der Resolutionstext deutlich macht, dass es hier nicht alleinig um die Interessen der deutschsprachigen Belgier geht. Nein, die Förderung der deutschen Sprache bereichert die kulturelle Vielfalt unseres ganzen Landes, eine Vielfalt die viel zu oft als Problem statt als Chance betrachtet wird. Deutsch ist zudem die Sprache unseres großen und einflussreichen Nachbarn Deutschland, der auch unser erster Handelspartner ist. Die Förderung der deutschen Sprache ist also auch im direkten Interesse von allen Belgiern.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Resolution zur Förderung der deutschen Sprache ein sehr guter, vollständiger und konstruktiver Text ist, was nicht zuletzt auf die konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss zurückzuführen ist. Hierfür möchte ich mich bei der Kollegin und den Kollegen sowie der Verwaltung des Hauses bedanken.
Zum Stichwort Sprachrohr der Interessen der deutschsprachigen Belgier: Damit die Chancen auf eine Verbesserung der sprachlichen Bedingungen für die deutschsprachigen Belgier erhöht werden, möchte ich der Kollegin Möres und dem Kollegen Stoffels aus dem Wallonischen Parlament sowie der Kollegin Jadin aus der Kammer vorschlagen, dass sie den Text des PDG in ihren jeweiligen Parlamenten, mit den notwendigen technischen Anpassungen, ebenfalls hinterlegen. Ich selbst werde dies, unmittelbar nach Verabschiedung durch das PDG, im Senat tun, natürlich in deutscher Sprache, was ja seit kurzem möglich ist.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Alexander Miesen
Gemeinschaftssenator