Am Donnerstagabend, den 10. Dezember 2015 fand in Amel Mitte, von unserer Regionalabgeordneten Jenny Baltus-Möres organisiert, im Restaurant Amel Mitte eine Veranstaltung zum Thema « Landwirtschaft in der DG : Die Rolle der Wallonischen Region » statt. Im Folgenden können Sie den Redebeitrag der Regionalabgeordneten nachlesen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte beginnen mit einem Zitat von Cicero:
Ein schönes Sprichwort. Doch stimmt dies auch heute noch? „Edel“ und „ehrenvoll“ ist dieser Beruf in meinen Augen wohl immer noch – aber „ergiebig“ oder gar „lieblich“? Ist das Bauer-Sein in der heutigen Zeit nicht eher „hart“ und manchmal sogar „bitter“?
Wie steht es tatsächlich um unsere Landwirte?
Und hat die familiäre Landwirtschaft eine Zukunft, oder muss man sie auf dem Opfertisch der Globalisierung und Industrialisierung hergeben?
Werte Gäste, ich freue mich, dass Sie alle meiner Einladung so zahlreich gefolgt sind und sich heute Abend diese Zeit genommen haben, um gemeinsam über solche und andere Fragen nachzudenken und auszutauschen. Ich habe diesen Abend organisiert in der Hoffnung, möglichst konstruktive und konkrete Ideen und Anregungen hier sammeln zu können, die zu einer Verbesserung der Situation unserer Landwirte führen. Die Wallonische Region kann nämlich einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Und eine Verbesserung ist hier dringend nötig, wenn wir weiterhin eine familiäre und dabei qualitativ hochwertige Landwirtschaft wünschen.
Nein, die heutigen Landwirte sind nicht verwöhnt oder über-subsidiert!
Als wenn dieses Berufsbild an sich nicht schon anspruchsvoll genug wäre, sind in diesem Jahr eine ganze Reihe von internationalen Problemfaktoren hinzugekommen: die Aufhebung der Milchquote durch die EU, starke Preisschwankungen, das Russlandembargo, dazu die nicht schnell genug wachsende Nachfrage der neuen Märkte… All das macht Subventionen, so wie sie derzeit ausgeschüttet werden, unerlässlich. Aber sie sind keine langfristige Alternative! Und ich kann die Forderung des Grünen Kreises nach Unabhängigkeit hier nur allzu gut nachvollziehen, ja ich begrüße sogar ausdrücklich diesen Wunsch nach mehr Eigenständigkeit.
Bevor wir nun heute Abend in die beiden Gesprächsrunden mit hochkarätigen Vertretern des landwirtschaftlichen Sektors einsteigen wollen, möchte ich Ihnen im Rahmen dieser Einführung kurz darlegen, wie der Beitrag und die Rolle der Wallonischen Region in Sachen Landwirtschaft aussehen und auch welchen Standpunkt wir als Liberale dazu einnehmen. Sie werden feststellen, dass dieses Thema uns nicht erst seit gestern beschäftigt und sehr am Herzen liegt.
Als sich die Situation in diesem Sommer aus eben genannten Gründen in fast ganz Europa, so auch in Belgien, für viele Landwirte dermaßen zuspitzte und geradezu unerträglich wurde, haben die politisch Verantwortlichen unseres Landes Handlungsbedarf erkannt und schnell und unbürokratisch reagiert : Der föderale Landwirtschaftsminister Willy Borsus hat ein Paket aus 10 Maßnahmen getroffen, von denen ich hier nur 3 stellvertretend nennen möchte:
- ab 2016 werden jährlich 1,47 Mio € zusätzlich in die Verstärkung der Außenbeziehungen der Agentur für Exporte landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Schwellen- und Entwicklungsländer investiert;
- mit teils sofortiger Wirkung wurden Fonds- und Sozialbeiträge, die die Landwirte bislang leisten mussten, gesenkt oder ganz ausgesetzt;
- und schließlich – die auch für unsere Landwirte wohl bedeutendste Maßnahme – bestand in der Initiative von Minister Willy Borsus, die Vertreter des Einzelhandels (« Comeos ») zusammen mit den zuständigen Ministern an den Verhandlungstisch zu bringen, was eine konkrete Unterstützung des belgischen Milchsektors von 46 Mio. € ermöglichte und einen Anstieg von 2,7 Cent pro Liter für die Landwirte zur Folge hat.
Paralll setzt Borsus sich indes weiter dafür ein, dass auch auf EU-Ebene neue Mechanismen in Kraft treten, die bei Krisen im Agrarsektor effizient greifen können, wie das EU-Preisobservatorium oder die Erhöhung des Interventionsbetrags.
Soviel also zum – beachtlichen – Beitrag von föderaler Seite.
(Wobei wohlbemerkt nur 6 % der landwirtschaftlichen Zuständigkeiten in föderaler Hand liegen, während die verbleibenden 94 % in regionaler Hand sind.)
Kommen wir nun zum Hauptthema des heutigen Abends –
zur Rolle der Wallonischen Region:
Unter Federführung des Landwirtschaftsministers der Wallonischen Region Herrn René Collin, erfolgte nämlich ebenfalls ein bedeutender Beitrag verbunden mit einer Aufstockung der Mittel.
- So gab die Wallonische Regierung Ende August dieses Jahres bekannt, den Milchsektor angesichts der Krise zielgerichtet unterstützen zu wollen. Und einige der insgesamt 12 bekanntgegebenen Maßnahmen waren in der Tat sinnvoll: so die Stärkung der Absatzförderung mittels Werbekampagnen der APAQ-W und der Stärkung des „Schulmilch“-Programms, die Steigerung der Kredithilfen, oder auch das Vorhaben, Begleitmaßnahmen für den Milchsektor in Bezug auf die LKW-Maut einzuführen, wobei dieser Punkt bislang noch nicht weiter konkretisiert wurde. Langfristig interessant ist zudem der Ansatz, Erzeugervereinigungen und –Organisationen während der ersten 5 Jahre anhand von Beihilfen zu unterstützen – worüber aber ebenfalls erst kommendes Jahr (2016) abgestimmt werden soll. Erwähnenswert sind ansonsten noch die Aussetzung der APAQ-W Beiträge bis zum 31. März 2016, wenngleich es sich hier um recht geringe Beträge handelt, und schließlich auch die Übernahme der Kosten für die Zertifizierung „Qualität der Milchkette“ – die aber ebenfalls erst noch umgesetzt werden muss. In der Schlussfolgerung muss man also sagen, dass nur 7 dieser 12 Maßnahmen tatsächlich einen finanziellen Effekt für unsere Landwirte haben, wobei nochmal 3 dieser 7 Maßnahmen auch bislang noch nicht umgesetzt worden sind. Es bleiben davon also letztlich 4 Maßnahmen übrig, die eine direkte finanzielle Auswirkung für den Milchsektor haben.
- Auch dem zuständigen Minister, Herrn Collin, wurde klar, dass weitere Anstrengungen seitens der WR unternommen werden mussten. So entschied die Wallonische Regierung gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Verbänden, die durch den EU-Krisenplan freigesetzten Mittel für die wallonische Landwirtschaft von fast 5 Mio. € – seitens der WR noch einmal zu verdoppeln, sodass eine Gesamtsumme von 630.000 € als Krisenplan für die Wallonie eingesetzt werden kann. Wie Sie wissen werden, hat die WR entschieden, dass der Großteil dieser Summe an die Fleischrinderhalter und die Milcherzeuger gehen soll.
- Darüber hinaus kündigt die Wallonische Regierung Begleitmaßnahmen an für die bessere Vermarktung unserer landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf dem asiatischen Markt. Ein guter Ansatz… Von Seiten der MR bedauern wir allerdings, dass das wichtige Thema Export nur in diesem kurzen Nebensatz untergebracht wird, anstatt eine der Prioritäten darin zu erkennen. Der Export ist ein bedeutender Faktor für die Förderung der Erzeugnisse unserer Landwirte: Schon jetzt werden 60 % der Milchproduktion der Wallonischen Region exportiert und in der Erschließung neuer Märkte steckt (nicht zuletzt aufgrund unserer hohen Produktionsstandards) noch viel mehr Potential. Auf diese Karte sollte nach unserer Meinung verstärkt gesetzt werden und die Regierung sollte und MUSS ambitioniert genug sein, die landwirtschaftlichen Produkte aus der Wallonischen Region, so auch aus der DG, langfristig und stabil auf dem Weltmarkt zu etablieren. Dies können unsere Landwirte nicht im Alleingang bewerkstelligen; sie brauchen Marktexperten, die ihnen hier den Weg ebnen. Und hier kann und sollte unserer Meinung nach durchaus mehr geschehen.
- Wir unterstützen den Minister allerdings in der Ansicht, dass durch Diversifizierung und Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ein großer Mehrwert auch für unsere Bauern entstehen kann (auch wenn hier offenbar noch Hilfestellung in der Durchführung dieser Idee geleistet werden muss, damit z.B. Direktvermarktung und –verkauf der verarbeiteten Produkte auch ohne allzu große Hürden möglich ist).
- Lokal und regional hergestellte Produkte und Labels (« circuits courts») haben ebenfalls durchaus ihren Platz und sind weiter zu unterstützen, allerdings stellen sie nur einen Nischenmarkt dar, angesichts der Millionen von Litern Milch, die in der Wallonischen Region gefördert werden. Parallel dazu müssen hier wie gesagt vor allem neue, entfernte Märkte für unsere Milchproduzenten erschlossen werden, damit diese auch langfristig Planungssicherheit haben.
- Und schließlich ist es uns ein wichtiges Anliegen, den Verwaltungsaufwand für Landwirte zu senken, wo es nur möglich ist. Es kann nicht sein, dass jemand, der sich heute für diesen Beruf entscheidet, Tag für Tag mehrere Stunden an Schreibtisch und PC verbringen muss, um alle bürokratischen Vorgaben und Auflagen zu erfüllen. Müssen Flächenerklärungen und Bewirtschaftungspläne z.B. immer wieder aufs Neue seitens der WR eingefordert werden? Oder würde diese Form der Kontrolle wohl auch im zwei- oder mehrjährigen Rhythmus ihren Zweck erfüllen? Es ist zu einfach, die Schuld hier immer wieder auf die europäische Ebene zu schieben und zu sagen, dass viele Vorschriften eben von „oben herab“ kommen. Die Wallonische Region hat die Gestaltung der jeweiligen Prozeduren selbst in der Hand und sollte demnach darauf achten, Überreglementierung zu vermeiden! Sie kann und sollte hier den Hebel ansetzen und verantwortlich entscheiden, welche Dokumente die Landwirte in welchem Rhythmus einreichen müssen und wie ausführlich Anträge gestaltet sein müssen.
- Auch ist zu bedauern, dass die Ausschüttung von Prämien nicht monatlich, sondern trimestriell und sehr schleppend, um nicht zu sagen unregelmäßig, erfolgt. So wird es für viele Bauern zum reinsten Lottospiel, wieviel sie diesmal wohl erhalten, was keinerlei Planungssicherheit ermöglicht.
- Und ein weiterer Kritikpunkt liegt darin, dass Junglandwirte derzeit keine ISA-Prämien mehr bekommen, da die WR neue Einkommensobergrenzen festgelegt hat.
All das sind Ansatzpunkte, für die unsere Partei sich auch in Zukunft in Namur stark machen möchte.
Die Bedeutung unserer Landwirtschaft muss kaum mehr unter Beweis gestellt werden: Immer noch generiert dieser Sektor auch in der DG viele Arbeitsplätze und viele weitere Arbeitsplätze hängen auch indirekt davon ab. Die Bedeutung der Landwirtschaft ist darüber hinaus nicht nur für die Nahrungssicherung, sondern auch für die Landschaftspflege und den Tourismus enorm. Es versteht sich daher von selbst, dass der Einsatz unserer Landwirte besser wertgeschätzt werden sollte – sei es was die Außenwahrnehmung des Berufsbilds betrifft, oder was die Wertschätzung der so erzeugten hochwertigen landwirtschaftlichen Produkte betrifft.
Wie das in der Praxis gehen kann, darüber geben hoffentlich die beiden nun folgenden Gesprächsrunden mit Experten und Praktikern aus dem Sektor Aufschluss.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.